Auch dieses Jahr bot die Eurobike als weltgrösste Fahrrad-Fachmesse nochmals mehr Besuchern nochmals mehr Marken auf nochmals mehr Fläche. Die dreieinhalb Tage an der Messe arten so langsam in Stress aus, aber zwischen all den Mainstream-Trends gibt's auch immer mal wieder Sachen zu entdecken, die in keine Nische passen.
Wie das "Doppietta" der italienischen Marke "Due di Picche": Auf den ersten Blick sticht der kecke Doppelscheinwerfer ins Auge. Zum Stahlrahmen gibt's eine passende Gabel, Rücktrittbremse hinten und Rollenbremse vorne sowie eine Menge klassischer Details. Die reichen vom Brooks-Sattel über das Lederlenkerband und die Satteltasche bis zu den filigranen Bremshebeln und dem in Rahmenfarbe lackierten Kettenkasten (nix Plastik).
Während die "Doppietta" mit rund 700 Euro noch bezahlbar ist, dürfte das bei diesem Bijou von Casati schon anders aussehen. An einer Messe, wo organisch geformte Kohlefaser-Rahmen und deformierte Alurohre dominieren, ist so ein schlichter, aber mit viel Liebe handgemachter Stahlrenner immer wieder etwas Feines.
Zumal, wenn der Rahmen bis in die Details so liebevoll verarbeitet wie beim "Campionissimo", dessen fein ziselierte und verchromte Muffen wohl ein paar Stunden in der Werkstatt bearbeitet wurden, ehe es zum Verlöten ging.
Für alle Fans klassischer Rahmenbaukunst war auch der Stand der japanischen Stahlkocher von Tange einen Besuch wert: Wie schon in den vergangenen Jahren waren dort einige besonders schöne oder wilde Einzelstücke zu sehen, die zu Ehren des Firmengründers unter dem Namen "Yasuhiro" laufen. Wer so sauber arbeitet, braucht weder Lack noch Spachtelmasse, um die Schweissnähte zu verbergen.
Ebenfalls von Yasujiro ist dieses Bahnrad, dessen direkt an die Gabelscheiden ansetzende Lenkerstummel mich irgendwie an eine Gottesanbeterin erinnern. Eins ist sicher: Die UCI hätte wohl kaum Freude an dieser Konstruktion. Wer hingegen meisterhaftes Handwerk zu schätzen weiss, kommt ins Schwärmen.
Auch nicht von schlechten Eltern, aber dafür als (Klein-)Serienrad im Handel zu kaufen ist das "Gentleman Racer" von Fixie Inc. Abgesehen vom verchromten Blech mit dem Markenemblem am Oberrohr kommt der Rahmen ganz schlicht in schwarz daher. Für die besondere Note sorgen die weissen Reifen, klassischen Laufräder sowie Sattel, Satteltasche und Lenkerband von Brooks, natürlich alles aus echtem Leder.
Am Stand von Brooks gab's wie immereine Menge zu entdecken. Etwa zivil aussehende Jacken für stilbewusste Radler, mit funktionellen Extras wie einem signalfarbenen, aber diskret verstaubaren Regenlatz am hinteren Saum, einer am Rücken eingebauten Lüftung oder reflektierende Akzente.
Gespannt sein darf man auch auf die Bikefashion-Marke Pedaled, an der Brooks Anteile hält und deren Kollektion für Frühjahr und Sommer 2012 in einem Séparé gezeigt wurde. Präsident und Chefdesigner Hideto Suzuki (rechts, Foto: Takashi Kayaba) verliess die Modewelt nach 15 Jahren, weil ihm deren Kurzatmigkeit auf den Geist ging. Er nahm eine Auszeit, baute Blockhäuser und fand dann zur Mode zurück - wenn auch für Fahrradfahrer. Dabei verwendet er ausschliesslich Naturfasern, verpasst aber zum Beispiel seinen Jeans reflektierende Beschichtungen und den Waxcoat-Jacken einen Schnitt, wie in Radler brauchen. Also vorne zu kurz und hinten zu lang. Und ja: Die Kleider von Pedaled werden in Japan gefertigt, dürften also kein Schnäppchen werden.
Nochmals etwas modischer sind die Handtaschen von Brooks in Form eines - ja richtig, Velosattels. In verschiedenen Farben erhältlich und aus feinem Leder gefertigt, ist dies ein Mitbringsel, das sich auch für weniger velophile Damen eignet.
Für den Herrn hat Brooks eine velotaugliche Tasche im Sortiment, die bis auf das fehlende Kuhfell an den guten alten Schulranzen erinnert. Bloss dass dieses Teil um Welten liebevoller verarbeitet und damit hochwertiger ist. Und ja, das Zielpublikum dürfte auch etwas älter sein.
Am Stand der italienischen Sportschneider von Keido entdeckte ich diesen Business-Suit, der seine funktionellen Details erst bei genauem Hinsehen offenbart: Über den Knien sind feine Reissverschlüsse eingearbeitet, damit man bei Bedarf für Lüftung sorgen kann. An Hose wie an Jacket sind dezent reflektierende Akzente integriert, und das Synthetik-Material ist nicht nur atmungsaktiv soll schmutz- und wasserabweisend sein. Allerdings handelte es sich um einen "Prototypen", der hastig zusammen genäht worden war.
Auch in Sachen Kopfschutz wagten sich wieder neue Anbieter auf die Spuren von Yakkai - mit Helmen, die nicht auf Anhieb als solche zu erkennen sind. Und bei denen sich die äussere Hülle ganz nach Laune und Gusto wechseln lässt: Vom Schlapphut über die Baseball-Cap bis zur Fischer-Haube und an Sherlock Holmes gemahnende Designs ist alles zu haben.
Wer als Pendler die Schnauze wortwörtlich voll hat von Smog und Feinstaub, greift zur Gasmaske von BioLogic: Durch den doppelten Filter bekommt man mit diesem Teil auch dann noch genügend Luft, wenn es bergan geht. Und setzt als Velofahrer dazu ein klares Statement. Der Helm im Photo ist übrigens faltbar, aber das nur so am Rande.
Eine Menge schöner Anbauteile wie Schutzbleche, Kettenkästen, aber auch Taschen für hinten auf oder an den Gepäckträger gab es am geschmackvoll gestalteten Stand der belgischen Marke Curana zu entdecken. Neben eher sportlich-minimalistischen Designs wie diesem hier gab es auch florale Motive in süsseren Farbtönen für alle, die so etwas mögen.
Auch mit diesem liebevoll gefertigten Drehschalthebel für Rohloffs 500/14-Getriebenabe kann man sein Radl nochmals geschmackvoller machen. Und das beste daran: Das Teil von Gilles Berthoud sieht nicht nur gut aus, sondern schaltet sich auch besser als das Original. Denn dank stärkerer Rasterung weiss man sofort, ob man den Griff weit geug rumgedreht hat für den nächsten Gang.
Fast schon ein Fall für Velo-Glanz&Gloria sind die Kurbeln und Kettenblätter aus Suginos Super Zen-Serie. Da muss wirklich ein Zen-Meister mit viel Geduld an der Poliermaschine gestanden haben, bis diese Teile so glänzten. Ich musste auf jeden Fall den Blitz manuell ausschalten, um ein brauchbares Bild dieser Schmuckstücke aus Japan machen zu können.
Nicht glänzen, sondern strahlen tut diese Lampe von Lezyne, die entfernt an stromlinienförmige Alltagsgegenstände aus den 50er Jahren erinnert. Und das Teil hat es in sich: Per Mini-USB aufladbar, spuckt das Topmodell von Lezyne stolze 500 Lumen aus. locker genug für die City, eher ein Fall für ein Zusatzlicht am Helm, wenn es nachts ins Gelände geht.
Am Stand von BMC fiel mir ein Eingänger mit Gates-Zahnriemen-Antrieb auf. Schon der Modellname "Mass Challenge" machte klar: Das ist ein kompromissloser Stadtflitzer. Mir gefielen an dem Teil besonders die enorm kompakten Pedale von KCNC, die dank ihrer aggressiven Pins auch bei Nässe viel Halt bieten dürften.
Aggressive Pins kann auch das "Pedal 3" von Reset Racing bieten. Das Teil ist aus über 30 hoch präzise gefertigten Einzelteilen zusammen gesetzt, was auch eine Menge an Farbvarianten ermöglicht. Und wenn man sich für die Variante mit Titanachsen entscheidet, werden mal eben 599 Euro fällig. Dafür garantiert der Hersteller aus Deutschland auch die Ersatzteilversorgung und bietet einen Reparatur-Service. Kampf der Wegwerf-Mentalität, sehr schön.
Wo wir grad beim Thema Pedale sind: Vor einem Jahr gewann der weltgrösste Pedalhersteller Wellgo für ein System eine Auszeichnung, dank dem sich die Pedale im Handumdrehen und ohne Werkzeug von der Kurbel abnehmen lassen - besonders praktisch für Falträder. Nun folgt der nächste Schritt: Wenn man die Pedale schon abnehmen kann, warum sollte man dann damit nicht auch gleich sein Rad vor Diebstahl schützen? Clevere Idee.
Ein Kind eines ehemaligen Creative Directors von Nike sind die Uhren "LunaTik" und "TikTok". Wobei: Wenn man es ganz genau nimmt, sind das keine Uhren - oder nicht nur. Denn das Herz der Uhr muss man unabhängig von Alu-Gehäuse und Kautschuk-Armband kaufen. Es ist nichts anderes als ein iPod Nano. So ist die Armbanduhr zugleich Adressbuch und MP3-Player. Und lässt sich sogar mit optionalem Zubehör zur Pulsuhr pimpen. Muss ich haben, auch wenn die Dinger nicht wasserdicht sind. Leider noch ohne Vertrieb in der Schweiz, aber die nächste Taiwan-Reise kommt bestimmt.
Zu guter Letzt noch eine Prise Ironie - und ein Style-Tipp für alle hirnamputierten Deppen, die an Fussballspielen randalieren: Wenn die Temperaturen beim nächsten Züriderby im Keller sind und es dennoch heiss zu und her geht, empfiehlt sich eine Ribcap. So lassen sich Schutz und Vermummung ideal und stilbewusst kombinieren.
Winter Mood
vor 3 Tagen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen