Samstag, 30. Juni 2012

Portes du Soleil: Tag 2

Am Samstag machte ich mich allein auf den Weg in Richtung Morzine. Wenn man sich zwei Tage Zeit nehmen kann für die Pass'Portes-Runde, hat man auch Zeit, um überraschende Details zu entdecken...

Gegen 9.30 Uhr machte ich mich nach einem herzhaften Frühstück auf den Weg: Also vom Hotel Beau Séjour runter zur Planachaux-Gondel, mit der hoch, die rote DH-Piste nach Les Crosets runter, gleich wieder mit dem Mossette-Sessellift hoch und nach dem Ziehstück auf der Hochebene auf staubigen Pisten runter nach Les Lindarets. So weit war die Route mit dem Vortag identisch, ich aber nochmals einen deutlichen Zacken schneller unterwegs.

Von Lindarets aus ging's aber diesmal nicht in Richtung Châtel, sondern hoch zu den Bettenburgen von Avoriaz. Und dann über den Grat mit einigen Gegenanstiegen und prächtigem Panorama bis nach Haute Morzine. Die folgende Abfahrt war zunächst noch eher zahm, aber ab der Bergstation der Gondelbahn fand ich eine neu erstellte, schwarze DH-Piste in Richtung Morzine. Diese führte zwar nicht ganz bis ins Tal - aber hui, war das Ding steil, eng und superknifflig. Zeitweise wähnte ich mich auf der WM-Strecke von Champéry.


Ich kam - auch dank generösem Einsatz der Brakeforce One - ohne Sturz und nicht mal so langsam durch und flitzte dann nach Morzine, wo diesmal das Expo-Dorf des Pass'Portes mit zahlreichen Ausstellern untergebracht war. Dort fand ich nicht nur eine hässliche, dafür kostenlos verteilte Fischermütze aus weisser Baumwolle, um meinen Kopf auf den Sesselliften vor weiterem Sonnenbrand zu bewahren, sondern auch eine Verpflegung der etwas anderen Art. Spanferkel, what the fuck! Die Gastgeber in Morzine liessen sich wahrlich nicht lumpen.


Weil ich schon vor Mittag in Morzine ankam, hatte ich sogar noch Zeit, um ein "Statement" von Cope auszuleihen und damit die Downhillstrecke von Morzine zu erkunden. Das Cope kannte ich bisher nur vom Angucken an Messen, auf dem Trail ist dass Teil wirklich erste Sahne: Ein potentes Fahrwerk kombiniert mit einem kompakten Rahmen und einer verspielten Geometrie, genau so gefällt mir das. Sicher kein Highspeed-Downhill-Racegeschoss, aber für Bikeparks und Strecken wie zum Beispiel den Gurtentrail umso besser.

Nach dieser Testfahrt machte ich mich auf den Rückweg, also zuerst mal wieder hoch Richtung Avoriaz. Das war wieder mit leichten Gegenanstiegen verbunden, aber schnell erledigt. Dafür verpasste ich im ersten Anlauf die richtige Route, um einen Sessellift zu finden, der von Brochaux oberhalb von Les Lindarets aus direkt zur Mossettes oberhalb von Les Crosets führt und den Rückweg nach Champéry enorm verkürzt. Also erkundigte ich mich sicherheitshalber bei Ortskundigen nach der Route, fuhr nochmals mit dem Sessellift nach Avoriaz hoch und versuchte ein zweites Mal mein Glück.

Lange stimmte die Route, aber kurz vor der Talstation des Brochaux-Liftes folgte ich der Markierung der blauen Piste - und die führte prompt wieder runter nach Lindarets. Zum Glück bemerkte ich den Fehler so zeitig, dass ich die Sache mit 5 Minuten bergan schieben auf einer steilen Piste wieder einrenken konnte. Wenig später sass ich auf dem wirklich sehr langen Mossette France-Sessellift und staunte über die menschenleere, hochalpine Landschaft, über die ich hinweg schwebte. Eindrücklich? Oh ja!

Von Mossettes aus wagte ich mich auf die Grande Conche-Downhillstrecke - und die behagt mir noch immer nicht besser als vor einigen Jahren. Die Kombination von losem Untergrund, blinden Sprüngen und stellenweise steilem Gelände ist nicht mein Ding, erst recht nicht mit ermüdeten Unterarmen. So verliess ich die Piste vorzeitig und traversierte zur alten 4Cross-Piste, die inzwischen zu einem Pumptrack mit Gefälle geworden ist. Da hatte ich dann wieder meinen Spass.


In Les Crosets gab ich mir noch einmal die rote DH-Piste, traf oben am Berg mit Will Walker einen der Streckenbauer, quatschte kurz mit ihm und gönnte mir eine letzte Stärkung in Form einer Cola und eines Schokoriegels, ehe ich mich auf den Weg zurück nach Champéry machte. Tag Zwei war geschafft, und ich war noch so ganz wie mein Bike: Dreckig, staubig, an einigen Stellen knarzend, aber strukturell intakt.

Freitag, 29. Juni 2012

Portes du Soleil: Tag 1 im Kasten

Der erste Tag meiner Portes du Soleil-Session ist im Kasten. Es war sogar oben in den Bergen heiss, stellenweise sehr windig, und von Schlamm über staubige Trails bis zu Geröllfeldern war alles vertreten. Die Testteile halten, und Tag Eins ging ohne Sturz über die Bühne.

Morgens ging um halb Acht der Wecker. Also raus aus den Federn, das Zeug zum Fahren bereit legen und um 8 Uhr zum Frühstück anrücken. Dieses war reichhaltig, aber die Zeit knapp: Um neun Uhr wollten wir bei der Gondel in Champéry sein, um loszulegen. Weil ein Journalist aus Neuenburg sich verspätet hatte, stiegen wir erst eine halbe Stunde später in die Kabine und schwebten hoch zur Planachaux. Dort blieb Anne, die PR-Frau von Champéry zurück, um auf den verspäteten Kollegen zu warten. Ich machte mich mit Paul, dem Kanadier auf den Weg in Richtung Les Crosets.

Die erste Abfahrt war zum Warmfahren ideal, und es ging gleich weiter auf die Mossettes, von wo aus die Route zuerst über Schotterwege, dann über Fahrwege und Singletrails rüber nach Les Lindarets in Frankreich führte. Der Bergsee war schon einmal einen kurzen Zwischenstopp wert, um ein Photo zu knippsen. Auf der folgenden Abfahrt herrschte schon einiger Verkehr, und das sollte sich nach einer Schussfahrt auf staubigen Pisten an der Talstation der beiden Sessellifte in Les Lindarets bestätigen: Die Kolonne besonders für den Weg nach Châtel war schon ansehnlich.


Wir stellten uns dennoch an, es ging erfreulich schnell vorwärts und kurz vorm Besteigen der Gondel entdeckte ich vor mir in der Kolonne mit Martin Munker einen weiteren Fahrrad-Journalisten. Oben an der Bergstation wartete dann der Chris Trojer, Europa-Marketingmann vom Fahrwerksspezialisten Fox - kleine Welt, einmal mehr. In Châtel angekommen, gaben wir uns zwei zusätzliche, wenn auch eher einfache Abfahrten: Paul hatte anders als ich wegen der Hitze nicht alle Protektoren angezogen und liess darum Vorsicht walten. Auch so fanden wir einige herrlich-flowige Pisten mit Anliegern und zahlreichen kleinen und grossen Sprüngen.


Beim Verpflegungsposten in Châtel machten wir zuerst einmal Pause und stärkten uns mit Wasser, Coca Cola, Cake, Brot und Wurst. Auf das Bier und den Wein verzichteten wir mal lieber. Nach dem Imbiss trennten sich die Wege: Paul und Anne warteten auf den Shuttlebus, um so nach Champéry zurück zu gelangen. Ich wollte die halbe Runde zurück in die Schweiz via Morgins, Champoussin und Les Crosets zumindest noch beenden. Marcel, der Kollege aus Neuenburg, hatte inzwischen aufgeholt. Er war auf einem leichten Tourenfully unterwegs, darum verzichteten wir nach der Gondelfahrt darauf, zusammen zu fahren.


Wie sich heraus stellen sollte, erwischte ich von dort bis Morgins eine inoffizielle Route - vor vier Jahren ging es noch dort lang, dieses Jahr nicht. In zwei Etappen ging es bergan, zuerst auf einem Schotterweg vorbei an einem Bergsee und weiter zur Landesgrenze, dann auf einer Asphaltstrasse mit mehreren Haarnadelkurven. Mit meinem 17-Kilo-Bike mit nur neun Gängen blieb mir das Schieben nicht erspart - aber immerhin war ich nun fast alleine unterwegs. Das änderte sich erst wieder nach einer staubigen Abfahrt, die mich nach Morgins hinunter führte. Also ab auf den Sessellift und hoch in Richtung Champoussin.


Vom Lift aus war die Downhill-Strecke gut zu sehen, aber oben angekommen, verzichtete ich auf eine weitere Abfahrt nach Morgins hinunter. Statt dessen setzte ich den mittlerweile vor Schweiss tropfenden Integralhelm und die dreckverspritzten Goggles wieder auf machte ich mich mit einer multinationalen Gruppe um Martin und Chris auf den Weg in Richtung Champoussin und Les Crosets. Unterwegs wurde ich noch Zeuge, wie am Bike vor mir das Schaltwerk in die Brüche ging, und Martin fing sich einen Platten ein. Das Gab immerhin Gelegenheit für eine mittlerweile doch willkommene Ruhepause.


Gleich nach dieser Pause liessen wir es richtig laufen, und prompt wäre ich um ein Haar abgeflogen: Hohes Tempo, spät auf der Bremse und Schwein gehabt, dass die folgende, scharfe Rechtskurve so etwas wie einen Anlieger hatte, dank dem ich mich noch durchmogeln konnte. Die Brakeforce One-Bremse liess bei dieser Gelegenheit auch aufblitzen, dass sie ein probater Notanker ist. Zuletzt düsten wir über die alte Fourcrosss-Strecke, mittlerweile zu einem mittelschmalen Trail geworden, in Richtung Les Crosets.

Die Gruppe, an die ich mich angehängt hatte, fuhr von hier aus wieder zurück nach Les Lindarets und weiter nach Morzine in ihr Hotel. Ich bog stattdessen auf die Strasse ein, rollte zum Dorf raus und bog in einen kleinen Weg in Richtung Champéry ab. Und der muss in den vergangenen Jahren nochmals massiv aus- und umgebaut worden sein, denn stellenweise waren die Kurven sausteil und eng. Auch der folgende Schotter-Ziehweg ist nun mit diversen kleinen Kickern gespickt, um Entwässerungsrinnen in der Fahrbahn mit Tempo überwinden zu können.

Nach einer Brücke war es dann vorbei mit dem Downhill-Abenteuer: Zuerst über einen Forstweg und dann auf einer kleinen Asphaltstrasse schoss ich zurück in Richtung Champéry. Treten war nun kaum noch nötig, bloss war der Fahrtwind nicht einmal bei vierzig Sachen richtig kühl. Dafür wartete unten an der Gondelstation passabel, wenn auch nicht optimal gekühltes Boxer-Bier und Raclette. Nicht schlecht! Nach dem Essen und einer Reinigung des Bikes mit dem Gartenschlauch ging es zurück ins Hotel, wo mir nach dem Duschen eine seltame, neue Tan-Line an den Waden auffiel: Die Knieschoner lassen grüssen.

Mehr Bilder und Erlebnisse aus Portes du Soleil gibt's morgen an dieser Stelle. Ich hau mich jetzt mal hin, Sonne, Bergluft und die intensive Bewegungskur machen müde.

Ready to go!

An diesem Wochenende stehen gleich fünf Tage im Paradies der Mountainbiker an: Portes du Soleil lädt zur Saisoneröffnung, am Freitag Morgen geht es los.

Aber zuerst musste ich einmal mit meinem Rocky Switch und der neuen, grossen Sporttasche nach Champéry gelangen. Das dauert schon gemäss Fahrplan viereinhalb Stunden. Wegen eines Unfalls auf der Trasse in der Gegend von Ollon verzögerte sich die Abfahrt des Ruckel-Zuges von Aigle nach Champéry. Und weil das Teil nicht klimatisiert ist, war das Warten bei 32 Grad besonders angenehm. Immerhin war dann die Aussicht aus dem Zug oberhalb von Monthey sehenswert.


Nachdem ich im Hotel eingecheckt und kurz geduscht hatte, trat ich in frischen Kleidern vors Haus, um mein Rad in den Keller zu stellen. Dieses hatte schon das Interesse der Leute von Champéry Tourismus und besonders von Paul, einem Kanadier mit Wohnsitz in Frauenfeld (kleine Welt mal wieder), geweckt. Mit dem Auto ging es den Berg hoch, vorbei am Zielgelände der Worldcups und der Weltmeisterschaft von 2011.


Oben angekommen, wartete nach einem informellen Apéro im kleinen Kreis mit der Eishockey-Legende Bob Mongrain und Masters-Downhillweltmeister Benoît Fellay eine besondere Delikatesse: Raclette wird einem im Wallis ja oft aufgetischt. Aber dass die Käselaibe am offenen Feuer eines speziellen Ofens zum Schmelzen gebracht wird, ist mir noch nicht untergekommen. Das Resultat hatte ein angenehmes Raucharoma, exzellent. Nach dem Raclette warteten noch zwei süsse Überraschungen: Die erste war eine Dreitages-Karte für die Bahnen der Region Portes du Soleil - Yippie!


Und die zweite war ein Abrikosensorbet mit einem guten Schuss Schnaps. Kurz vor zehn Uhr abends wurden wir wieder ins Dorf chauffiert. Die einen gaben sich noch die letzte halbe Stunde des EM-Halbfinales, ich zog es vor, im Hotelzimmer noch kurz einige Arbeiten zu erledigen und dann noch ein Bierchen trinken zu gehen - verbunden mit einem kleinen Spaziergang durch Champéry. Morgen geht es also los - ein guter Grund, nicht allzu spät schlafen zu gehen. Möge das Trailkarma mit mir sein und mich vor Platten, Stürzen und Üblerem bewahren.

Donnerstag, 14. Juni 2012

Wasser, Wasser und nochmals Wasser

Mitte Juni - der Sommer lässt noch etwas auf sich warten, der Regen legt nur widerwillig Pausen ein und die Pegelstände der Gewässer sind hoch. Das ist der Feuerstelle anzusehen, die wir an der Töss gebaut haben.

Ein vertrautes Bild im Juni 2012: Dunkle Regenwolken verheissen nichts Gutes.

Nein, ganz so arg wie in Taiwan war es nicht mit den Niederschlägen: Da fielen inner 41 Stunden stellenweise über 1000mm Regen pro Quadratmeter, was Überschwemmungen und Erdrutsche zur Folge hatte. In der Schweiz war der Regen weniger stark, und so sind auch die Folgen weniger dramatisch.

Bei normalem Wasserstand trennen etwa 70 Zentimeter
Höhenunterschied die Feuerstelle vom Wasser.

Aber weil es im Quellgebiet der Töss rund um Hörnli und Bachtel wiederholt stark geregnet hat, ist die Töss zu einem rauschenden, hellbraunen Fluss angeschwollen. Und der hat nicht nur alle Kiesbänke verschluckt, sondern ist auch unserer liebsten Feuerstelle am Flussufer sehr nah gekommen. So nah, dass das Wasser dort schwappt, wo sonst die Asche liegen würde.

Abgesoffen: Das Wasser steht in der Feuerstelle - autsch!

Um eine grössere Aktion zwecks Wiederinstandstellung der Feuerstelle werden wir in den kommenden Tagen wohl nicht herum kommen. Zumal diesmal sogar der Stein, der als Auflage für den Grillrost dient, vom Regen aus seinem Erd-Fundament gespült wurde. Aber zumindest wird uns auf diese Art und Weise nicht so schnell langweilig.

Laut und nicht ungefährlich: Die Wasserwalze gleich oberhalb der Feuerstelle.

Wo sonst das Wasser durch einen Baumstamm umgelenkt wird, sorgte gestern Abend eine veritable Wasserwalze für entsprechenden Lärm - und für eine stehende Welle, auf der Mutige (oder eher Lebensmüde) wohl hätten surfen können. Auch die Wege entlang der Töss waren mit Schlammlöchern und Pfützen gespickt.

Donnerstag, 7. Juni 2012

Auf grossem Fuss - Impressionen einer Testfahrt

Mountain Bikes mit übergrossen Rädern sind dieses Jahr im Verkauf der Renner - erst recht, wenn sie vollgefedert und aus Carbon daher kommen. Grund genug, so eine Feile über meine Heimtrails am Schauenberg zu jagen.

Als Rocky Mountain zur Präsentation des neuen "Element 29 RSL" in die Dolomiten lud, machte matschiger Schnee einen Strich durch die Testfahrten-Rechnung: Die kleinen Singletrails waren allesamt wegen Matsch nicht fahrbar, die verbleibenden Forst- und Feldwege erlaubten kaum Aufschluss in Sachen Handling.


Homecoming: Mein Rocky Mountain "Switch Ltd" vor dem Hauptsitz von Chris Sports.

Also war für mich klar: So bald der Schweizer Importeur solche Räder in der Zentrale verfügbar hat, werde ich mir eines ausleihen, um es über vertraute Pfade am und um den Schauenberg zu jagen. Gesagt, getan: Anfangs Juni brachte ich mein Switch Ltd zwecks Austausch der Lagerpunkte in Münchwilen bei Chris Sports vorbei - und nahm gleich ein "Element 970 RSL" in Empfang.

Ein Blick von vorne auf das grosse Laufrad des "Element 970 RSL".

Tags darauf nutzte sich eine Pause im Mistwetter, um meinen langjährigen Hausberg unter die Räder zu nehmen: Den Schauenberg. In der Anfahrt zeigte sich ein grosser Vorteil der sogenannten Twentyniner: Die Dinger sind Meilenfresser par excellence. Und weil Rocky Mountain dem Testbike nur zwei, dafür aber relativ kleine Kränze vorne verpasst hat, reichten die Gänge sogar an den steilsten Rampen.

Auf grossen Rädern - und leider ganz miesen Reifen.

Bereits im Anstieg zeigte vor allem der Hinterrad aber Schwächen: Kaum profiliert, stösst der Race-King von Continental sehr schnell an Grenzen - und dreht mangels Stollen auf Matsch durch. Doch es sollte noch ärger kommen: Derselbe Reifen ist bergab ein echter Risikofaktor. Weil er keine Schulterstollen aufweist, ist die Seitenführung schlicht unter aller Sau.

Von blockiert zu straff zu schluckfreudig: Per Daumen lässt sich das Fahrwerk einstellen.

Und weil die Wurzelpfade oben am Schauenberg vom Regen der Vortage getränkt waren, wurde der Rückweg statt zum puren Vergnügen zu einem Test der Reflexe mit zusammengekniffenen Arschbacken. In jedem der vier Abfahrts-Abschnitte legte ich um ein Haar einen derben Abflug hin, weil das Hinterrad ausbrach und ganz sicher nicht dorthin wollte, wo ich hin lenkte.

Nach getaner Arbeit: Mountain Bikes sind in ihrem natürlichen Habitat zu testen. 

So blieb am Ende ein zwiespältiger Eindruck: Auf Forst- und Feldwegen und im Flachen ist so ein Twentyniner eine ungemein effiziente Fahrmaschine. Aber sobald ich auf meinem eigenen Bike von Arbeit auf Vergnügen umstelle, sind die Stelzenräder für mich noch immer "fun killers". Auch wenn das "Element RSL" eines der wendigeren 29er-Fullies ist: Ich fühlte mich darauf bergab wegen der nicht einmal metrosexuell profilierten Kastraten-Reifen schlicht unwohl.

Zum Abschluss was fürs Auge: Panorama vom Schauenberg - nice!

Aber: Reifen sind schnell gewechselt, und ein Fachhändler, der diese Bezeichnung verdient hat, wird genau dies ohne Aufpreis und Murren machen. Mein Tipp: Den Canis von Onza Tires in 29x2.25 aufziehen. Ich fahr den Reifen auf meinem Tourenbike in 26 Zoll hinten und bin vollauf zufrieden. Den ab Werk verbauten Race-King würde ich dagegen als erstes von der Felge runter und in die Mülltonne befördern - der ist auf gut holländisch "racekak" und sollte so benannt werden.

Mittwoch, 6. Juni 2012

Wenn Innovation Leader rumätzen


Specialized baut schöne Räder - und führt sich immer wieder unmöglich auf. So auch mit einem Mailing an die Händler, in dem ohne Hemmung gegen die Radgrösse 650B geschossen wird. Negative campaigning der übelsten Sorte.

Dass in der Wirtschaft schon mal mit harten Bandagen gekämpft wird, ist nicht neu. Dass dies umso eher zutrifft, wenn amerikanische Firmen beteiligt sind, auch nicht. Man kennt es zum Beispiel von Apple unter dem verstorbenen Zampano (aka iGod) Steve Jobs, der das konkurrierende Handy-Betriebssystem Android öffentlich als Müll bezeichnete, den es vom Markt zu wischen gelte. Ich hab schon öfters festgestellt, dass für Apple wie für den Fahrrad-Hersteller Specialized für mich das selbe zutrifft: Ich mag die Produkte durchaus, aber über das Geschäftsgebaren und das Auftreten der Firma kann ich immer wieder nur entgeistert den Kopf schütteln.
Da ich in der Schweiz bereits mehrere Artikel zur Mountainbike-Laufradgrösse 650B in B2B-Publikationen und Zeitungen veröffentlicht (und auf Twitter das Hashtag #thebetter29er ins Leben gerufen) habe, wurde mir das jüngste Schreiben von Specialized von einem Fachhändler zugespielt. Darin ist sich Specialized nicht zu blöde, den grossen Trend der kommenden Saison nach Kräften madig zu machen - mit sehr fragwürdigen Argumenten. So meinen die Spezi-Buam, sich über die Benennung "27.5 Zoll" lustig machen zu müssen. Aber auf ihre technisch auch nicht korrekt benannten 29-Zoll-Stelzenräder bilden sie sich unglaublich viel ein. Auch wenn diese Dinger dieses Jahr noch zu keinem Worldcup-Sieg geritten wurden.

Unmotivierte Breitseite: Das Händlerschreiben von Specialized gegen den 2013er-Trend.

Auch die Darstellung von 650B als faulen Kompromiss ist mehr als fragwürdig: Es fehlen die Argumente, und genauso gut könnte man von der goldenen Mitte reden  statt von einem faulen Kompromiss. Noch lustiger ist der Hinweis auf die angeblich ungenügende Auswahl an Anbauteilen: Diese soll laut Specialized schlechter sein als im Fall der 29er vor 10 Jahren. Mit Verlaub und gestützt auf meine Recherchen zu diesem Thema kann ich sagen: Das ist Bockmist aus Morgan Hill. Für 650B wird schon 2013 eine breitere Auswahl an Federgabeln zur Verfügung stehen, als dies nach 10 Jahren 29er-Entwicklung der Fall ist. Den Engpass sehe ich wenn schon bei den Rahmen, nicht bei den Anbauteilen.  Aber auch da werden viele Marken schon 2013 erste Modelle lancieren. Und nein, Specialized gehört da nicht dazu.

Seite 2 der Breitseite - die Argumente werden nicht besser, das Motiv dafür klar.

Angesichts der wenig überzeugenden und noch viel weniger sympathischen Negativ-Kampagne drängt sich der Eindruck auf: Da hockt ein selbsternannter Innovation Leader, der letzthin noch seinen aufgedonnerten Stromer namens "Turbo" als DIE Innovation im eBike-Segment zu präsentieren versuchte, auf einem grossen Berg 29er-Räder. Und hat gehörig Schiss, dass diese im Zuge der 650B-Welle nicht mehr so begehrt wie bis anhin sind, wo Specialized schon im April "ausverkauft" posaunt - und damit den Fachhandel in einen dummen Rank stellt. Dass diese Firma im vergangenen Herbst nur ZWEI Testräder vom Stumpjumper 29 für ganz Europa bereit gestellt hatte, ist ein weiteres Versagen, das mir nur ein Kopfschütteln abzuringen vermag.

Darum geht's: Der grosse Trend der Jahre 2011/2012 und derjenige für 2013/2014.

Mein Fazit: Statt beim Fachhandel für miese Stimmung gegenüber einem Trend zu sorgen, der unvermeidlich 2013 kommen wird, soll Specialized lieber die eigenen Produkte bewerben. Diese Art von Madigmachen ist nicht geeignet, das Image der Firma zu verbessern. Specialized täte gut daran, die eigene Produktionsplanung an den Bedarf anzupassen (und nicht durch eine mutwillige Verknappung das eigene Produkt zu einem Hype zu machen). Und wenn dann noch Zeit übrig bleibt, könnte man auch mal dafür sorgen, dass Ersatzteile für die fesch ausschauenden, hauseigenen Roval-Laufräder lieferbar werden. Wenn dann immer noch Zeit und Energie übrig sein sollte, dürfen die Herrschaften gerne noch etwas gifteln. Aber nur dann.

In diesem Sinne: Schnauze, setzen, Hausaufgaben machen. Und überlegt Euch jetzt schon einmal, wie Ihr im Herbst 2013 Euer aktuelles, destruktives Gequake zurück nehmen wollt, weil Ihr dann ganz sicher selbst mit 650B-Rädern kommen werdet. Und Euch dann schon mal präventiv in den eigenen Fuss geschossen habt. Grosses Kino!

Montag, 4. Juni 2012

Grill-Sputnik

Unlängst lieferte mein Bruder Sjoerd eine Dutchtub-Badewanne nach Liechtenstein - an einen Eisenplastiker. Als Folge dieser Dienstfahrt steht nun ein Ofen im seinem Garten, der wie eine Rakete aussieht.

 Der originelle Outdoor-Ofen fiel mir auf, als ich anfangs Woche aufm Rückweg vom Rocky Mountain-Importeur Chris Sports in Münchwilen einen Abstecher nach Frauenfeld unternahm. Der Grill-Sputnik stand vor dem Showroom der Firma Double Dutch im Walzmühle-Areal. Und gab gleich mal ein dankbares Sujet ab.

Die patinierte Rostoptik des Raketen-Ofens ist so etwas wie das Markenzeichen des liechtensteiner Plastikers und Skulpturen-Künstlers Edgar Büchel. Auf seiner Website ist zu sehen, dass Büchel auch nicht vor Rollern und Lieferwagen Halt macht und diesen ebenfalls einen Flugrost-Look verpasst. Nun, der Grill-Sputnik weiss zu gefallen, auch wenn der Praxistest noch aussteht.

Sonntag, 3. Juni 2012

Abstecher an den Lac Leman

Die Stadt Nyon hatte meinen Bruder angefragt, ob er seine Lastenräder im Rahmen eines Velo-Events ausstellen wolle. Er wollte, ich fuhr mit ihm an den Genfersee mit - und die Reise lohnte sich, denn das Wetter war prächtig und das Interesse gross.

Der Lac Leman mit Bergkulisse: Panorama von der Terrasse des Châteaus in Nyon.

Aller Anfang ist schwer: An einem Samstag um 5:10 Uhr aus den Federn zu müssen, ist bitter. Ich schaffte es gleichwohl, und um zehn vor Sechs machten wir uns mit einem Mietbus und 5 Rädern als Ladung auf den Weg: 298 Kilometer oder einmal quer durch die Schweiz. Schon vor neun Uhr konnten wir den Bus in Nyon ausladen und das Zelt aufstellen, um zehn Uhr morgens begann der Event offiziell.


Die Region um den Genfersee erwies sich einmal mehr als sehr kosmopolit: Im Verlauf des Tages erklärten wir die Produkte nicht nur auf Französisch, sondern auch auf Deutsch, Englisch und Holländisch. Und die Lastenräder aus den Niederlanden fielen in der Romandie auf wie eine Kombination aus Dame mit Bart und rosa Elefant.



Unten das Weiss der Segel, oben das Weiss des Mont Blanc - I like!

Auch die Fernsicht konnte sich sehen lassen: Schon auf der Anfahrt fiel uns ein richtig hoher Berg auf, komplett bedeckt mit Schnee und Eis. Einmal in Nyon angekommen, war klar: Das musste der Mont Blanc sein, ein imposanter Brocken! Um das Zelt waren wir im Verlauf des Tages noch so froh, denn die Sonne knallte unbarmherzig vom Himmel - ohne Schatten wäre ein Sonnenstich unvermeidlich gewesen.


So aber tranken wir ausreichend Wasser, hielten uns wenn möglich im Schatten aus und machten immer wieder eines der Räder für eine Testrunde klar: Am beliebtesten waren das Onderwater-Kindertandem und der mattschwarze, schnieke Urban Arrow. Aber auch der Bakfiets mit einem Polyester-Kübel in Form eines holländischen Holzschuhs (aka "klomp") kam bei Kindern wie Eltern sehr gut an - obwohl dieses Rad ohne Elektromotor auskommen muss.

Eine Mutter, drei Kinder und der Klomp-Bakfiets - kein Problem!

Gegen halb Sechs Uhr begannen wir als letzte mit dem Abbau, wenige Minuten vor sechs Uhr sassen wir schon im voll beladenen Bus. In Bern stand noch ein kurzer Zwischenstopp an, um einen eBakfiets zu Testzwecken einem Interessenten zu liefern, dann ging es ohne Halt weiter nach Winterthur, wo ich gegen halb Zehn Uhr abends ausstieg. Und mich gleich wieder aufmachte, um an der Töss noch eine Wurst auf den Grill zu knallen.

Weil es fast Vollmond war, wurde es in der Nacht auf den Sonntag nie richtig dunkel. Und bis wir uns auf den Rückweg in die Stadt und nach Hause machten, zog im Osten schon die Morgendämmerung auf - aber da war es auch schon Viertel nach Vier Uhr morgens - und ich seit fast 24 Stunden auf den Beinen.