Als freischaffender Fahrrad-Journalist werde ich zwar nicht zu den grossen Mediencamps in Übersee eingeladen. Aber angesichts des damit verbundenen Reisestresses kann ich darauf gerne verzichten. Es gibt schliesslich auch noch Hersteller in der näheren Region, wie Stöckli, Simplon oder BMC. Und auch die haben für die kommende Saison interessante Pfeile im Köcher.
Den Anfang machte Stöckli: Im Ski-Segment schon eine feste Grösse, wollen die Wolhusener nun auch im Bike-Business den Aufstieg in die nächsthöhere Liga schaffen. Konkret heisst dies: Mehr Eigenentwicklungen, um der Marke ein eigenes Gesicht, ein eigenes Image zu geben. Und wo hätte Stöckli das neue Vollgefederte passender vorstellen können als eben im Eigental, hoch über Kriens und im Schatten des Pilatus? Also stieg ich morgens um halb Acht in den Schnellzug nach Luzern.
So trudelten an einem Mittwoch Morgen in Obernau verschiedene Journalisten, aber auch der für die Optik des neuen Stöckli-Flitzers zuständige Industriedesigner Vincenz Droux ein, um per Bus ins Eigental gefahren zu werden. Dort wartete schon eine Testbike-Flotte auf uns, dazu Gebäck und Kaffee. Nach den Erläuterungen zum neuen «Morion», einem betont sportlichen Fully mit 130mm Federweg und Carbon-Hauptrahmen, sowie zu den Zielen von Stöckli im Bikemarkt ging es auf die Testrunde.
Die Bestand aus einem zwar kurzen, aber fies steilen Anstieg hoch zum Aussichtspunkt Chräigütsch, gefolgt von wurzligen Pfaden im Wald – ein passendes Gelände, um dem neuen Wurf auf den Zahn zu fühlen. Leider fuhr ich bereits in der ersten Runde eine Treppe etwas gar forsch an, was mir eine noch zehn Tage danach schmerzhafte Rippenprellung einbrachte. Die Stimmung an diesem heissen Tag im Eigental konnte dies aber nicht trüben, zumal wir am Schluss noch auf den Testrädern vom Eigental hinunter nach Obernau flitzen durften – eine spassige Abfahrt von rund 20 Minuten.
Tags darauf fuhr ich mit der Bahn nach Gossau, wo ich zum RIDE-Redaktor Pascal Hänggi ins Auto stieg, um nach Schruns-Tschagguns zu fahren, zuoberst im Montafon. Dort wartete die nächstjährige Produktepalette des Vorarlberger Fahrrad-Produzenten Simplon darauf, den Medien präsentiert zu werden. Nicht irgendwo, sondern in einem der besten Häuser vor Ort, dem Montafonerhof. Wellness-Hotels mit 4 Sternen sind in Österreich immer eine Reise wert, vom Komfort in den Zimmern über die Hotelküche bis zur Wellness-Zone stimmt einfach alles.
Mit Batterie und Tacho/Steuerungseinheit aus Deutschland sowie einem bürstenlosen 350-Watt-Motor mit integrierter Sensorik aus der Schweiz: Simpon's eLion-Kit.
Und auch verwinkelte, verblockte und mit Wurzeln gespickte Wege finden sich im Montafon genügend – wer mag, kann sogar per Gondel bergan fahren und es in der Abfahrt laufen lassen. Wegen der Rippenprellung, die meine Beweglichkeit aufm Rad leicht einschränkte, verzichtete ich auf dieses Abenteuer. Statt dessen gabs am Donnerstag eine Testrunde mit unwegsamen Singletrails, die sich dem Hang entlang wanden, und am Freitag Morgen eine kurze Ausfahrt auf einem Traum von einem Rennrad: Leicht, steif und dennoch komfortabel.
Eine schöne Tradition ist bei Simplon-Mediencamps der Abend am Berg: Hoch überm Talboden warten jeweils in einer Alphütte lokale Spezialitäten auf die Journalistenschar, und der Weg zur Hütte und zurück sowie der Aufenthalt in selbiger sind eine willkommene Gelegenheit zum Socializing und Räubergeschichten austauschen. Leider stieg meine Sony Cybershot just beim Abendessen in der Hütte aus: Von einem Moment auf den nächsten stellte das Teil gar nichts mehr scharf. Autofocus-Ausfall = Elektronik-Schrott, leider. So bleiben nur einige Bilder vom Apéro vor dem Abendessen.
Ich bin auch ein Kühlschrank: Brunnentrog hoch über dem Montafon.
Aufm Rückweg ausm Montafon hatte ich es dann eilig: Schliesslich spielte Holland am Freitag Nachmittag ab 16 Uhr das WM-Viertelfinale gegen Brasilien. Zwar kam ich erst um 16:30 Uhr in Winterthur an, aber zumindest verpasste ich so die Anfangsphase, während der die Brasilianer deutlich überlegen gewesen waren. Dafür konnte ich dann live verfolgen, wie die Oranjes wie ausgewechselt aus der Kabine kamen und das Spiel in der zweiten Halbzeit drehten.
Als Abschluss der kurzen Branchen-Tour stand am vergangenen Montag noch ein Termin in Grenchen an. In der Uhrenstadt am Jüra-Südfuss hat BMC 40 Millionen Schweizerfranken investiert und eine sehenswerte Fabrik errichtet. Und das nicht nur, weil die ganze Fabrik von Industriedesignern gestaltet worden ist. Denn der Clou ist, dass in besagter Fabrik mit minimalem Einsatz menschlicher Arbeit und umso mehr vollautomatisierten Fertigungsschritten Carbon-Rahmen hergestellt werden. Und zwar nach einem komplett neuen Verfahren, für das die Patente zwar beantragt, aber noch nicht erteilt sind. Entsprechend herrschte in der Fabrik ein striktes Photo-Verbot. Die Bilder stammen entsprechend aus einer aufwändig gestalteten Broschüre von BMC.
Schau mir in die Linse, Kleines: Dieser Roboterarm ist für die Injizierung
der korrekten Menge Kleber an vordefinierten Orten zuständig.
Das Ziel von BMC lautet: Sicherstellung konsistenter Qualität unter Ausschaltung des Fehlerfaktors Mensch sowie weitestmögliche Automatisierung und Standardisierung der Produktionsschritte. Was im Carbon-Rahmenbau eine radikale Kehrtwende bedeutet, denn bisher stecken in einem solchen Rahmen rund 50 Mannstunden Arbeit, meist in Fernost verrichtet. Kein Wunder, lautet BMC’s Slogan «Handmade by machines».
Denn bei BMC’s «Impec» entsteht der Rahmen nicht mehr, indem Kohlefaser-Matte um Kohlefaser-Matte in einer Negativform ausgelegt und mit Harz bestrichen wird – ein Verfahren, das Tür und Tor für Streuungen und Qualitätsschwankungen bietet. Statt dessen wird ein Werkzeugträger von einem Roboterarm in ein futuristisches, «Stargate» genanntes Webrad mit rund drei Metern Durchmesser geschoben. Darauf setzen sich bis zu 128 Spulen in rasende Bewegung, um einen Kohlefaser-Strumpf um den Werkzeugträger herum zu weben. Nach der Injektion des Harzes wird der Rohrrohling abgelängt, lackiert und mit verschiedenen Rahmendekors versehen.
In einem letzten Arbeitsschritt stecken Arbeiter die Rohre und Spritzguss-Halbschalen mit Hilfe präziser Werkzeuge zusammen, worauf ein Roboter exakt definierte Mengen Klebstoff injiziert und das gesamte Werkstück im Ofen ausgebacken wird. Von da an geht’s auf den EFBE-Prüfstand, denn BMC unterzieht jeden «Impec»-Rahmen einem Dauerbelastungstest, ehe ein komplettes Rad aufgebaut wird. Je nach Ausstattung werden diese Räder übrigens 10'000 bis 15'000 Franken kosten – oder 6’500 bis 10’000 Euros. Es war schon immer etwas teurer, den letzten Schrei in Sachen Material sein Eigen nennen zu wollen.
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