Mit dem Rücken zur Wand, die Medien vor sich: Geert Wilders.
Noch sind die Mehrheitsverhältnisse in der zweiten Kammer des niederländischen Parlaments unverändert, noch hat das Kabinett Rutte I genau eine Stimme mehr als unbedingt nötig, wenn es von sämtlichen PVV-Abgeordneten unterstützt wird. Denn noch hält Geert Wilders seine Schäflein (mit Blick auf die Plakatwände in der Schweiz gehe ich mal von schwarzen Schäflein aus) beisammen – und hat keins aus der Fraktion ausgeschlossen.
Deklarierte einen Nebenjob nicht und ist vorläufig suspendiert: Jhim van Bemmel.
Nach einigen Tagen der Ruhe ist dem Einmann-Anti-Islam-Unternehmen Wilders nun aber der Kragen geplatzt: Lauthals beklagt er sich, dass die Medien eine ordinäre Hexenjagd gegen seine Partei beetrieben und von ihm aus gerne mal in die Kühlbox dürften. Wilders sollte wissen, dass sich die Medien anders als Mark Rutte nicht von ihm herum kommandieren lassen. Und Wilders sollte einsehen, dass das Problem nicht die Medien sind, sondern sein Personal, das anscheinend aus lauter Leuten besteht, die gern eins über den Durst trinken, danach ausfällig bis gewalttätig werden oder hinters Lenkrad ihres Autos steigen – oder beides.
Trat als Parlamentarier zurück, um die Enthüllung weiterer Altlasten zu vermeiden: James Sharpe.
Aber die Einsicht wird nicht kommen: Wilders bildet sich gerade auf seine Personalpolitik eine Menge ein. Um die volle Kontrolle bei der Auswahl der Parlamentarier bei sich und nur bei sich zu halten, hat Wilders die PVV als Bewegung ohne Mitglieder konzipiert (was PVV-intern nicht unumstritten ist und mittelfristig noch für Sprengstoff sorgen dürfte) – beziehungsweise mit einem Mitglied: Geert Wilders himself. So sollte verhindert werden, was 2002 der Protestpartei LPF passierte: Dass unfähiges Personal sich gegenseitig an die Gurgel geht und das Image der Partei nachhaltig ramponiert, bis diese wegen Fraktionsabspaltungen in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.
Bestritt zunächst, im Suff einen Schwedenkuss ausgeteilt zu haben - und will nun
durch Bezahlung einer Busse ein Gerichtsverfahren vermeiden: Marcial Hernandez.
Wo wir grad beim Image der Partei sind: Trotz der ganzen Wirren um das Fehlverhalten von Parlamentariern halten sich die Verluste der PVV in Meinungsumfragen in einem frustrierend bis erschreckend geringen Rahmen. Entweder finden PVV-Wähler das Verhalten ihrer Abgeordneten nicht verwerflich, oder sie halten das alles für eine Kampagne von ihnen gegenüber feindlich eingestellten, mit den Systemparteien verbandelten Medien.
Eric Lucassen's Sündenregister wird immer länger: Zur Unzucht mit Schutzbefohlenen
und Gewalt gegen und Belästigung von Nachbarn kommt nun noch Verschuldung dazu.
Dem Beobachter bleibt nur eines: Zu warten und zuzusehen, wann Wilders einen seiner Abgeordneten aus der Partei schmeisst. Oder wann es zum Aufstand bei den Christdemokraten kommt – denn bei diesen regt sich immer mehr Widerstand gegen die Kooperation ihrer Partei mit den immer anrüchigeren Fölglingen von Geert Wilders. Bei der jüngsten Fraktionssitzung der Christdemokraten wurde Wilders’ PVV gar von Jack Biskop mit dem Nationalsozialismus der 30er Jahre verglichen.
Will die PVV gegen Wilders' Willen demokratisieren - sorgt aber selbst mit suffbedingtem
Fehlverhalten regelmässig für Schlagzeilen: Hero Brinkman.
Dazu nutzte Biskop eine Passage aus einem Traktat aus dem Jahre 1937. Damals schrieb der Schriftsteller, Atheist und liberale Journalist Menno ter Braak über (jetzt geht’s auf Niederländisch weiter, die Übersetzung ins Deutsche folgt einen Abschnitt weiter unten) 'een politieke beweging die niets anders doet dan ressentiment exploiteren'; die was bezig 'met het stimuleren van boosheid, niet werkelijk geïnteresseerd in oplossingen en zonder ideeën. Een beweging die ook geen oplossingen wil, omdat ze de misstanden nodig heeft om te kunnen blijven schelden en haten (...) Het maatschappelijk ressentiment wordt botgevierd op een zondebok die de schuld krijgt van alles. Tegelijk beschouwt deze beweging zichzelf als het eeuwige slachtoffer van 'links' of 'de elite', en koestert ze een diepe weerzin jegens intellectuelen, kosmopolieten en iedereen die en alles wat 'anders' is...'
Schrieb gegen die Nazis und deren Denken und Methoden an, bis es zu spät war
- und ihm nur noch der Suizid als Ausweg blieb: Menno ter Braak (1902 - 1940).
Übersetzt in die Sprache Goethes:
Eine politische Bewegung, die nichts anderes macht, als Vorurteile zu bewirtschaften, die stets beschäftigt ist mit dem Provozieren von Boshaftigkeiten, kein wirkliches Interesse an Lösungen zeigt und keine Ideen zu bieten hat. Eine Bewegung, die auch keine Lösungen will, weil sie auf die Missstände angewiesen ist, um weiter motzen und Hass sähen zu können. Gesellschaftliche Vorurteile werden auf dem Buckel von Sündenböcken (schwarzen Schafen?), die für alles die Schuld bekommen, durchexerziert bis zum Abwinken. Gleichzeitig sieht sich diese Bewegung als ewiges Opfer der Linken und der Elite, und sie treibt eine tiefe Ablehnung an, gegen Intellektuelle, Kosmopoliten und überhaupt alle, die in irgend einer Hinsicht anders als sie sind...
1937 – 2010: Ist die Geschichte dazu verdammt, sich zu wiederholen? Oder lassen sich Lehren ziehen aus dem, was in den 30er Jahren geschah? Werden die Demagogen ihre Hetze auf Minderheiten und Muslime aus Verantwortungsgefühl herunter fahren? Wer’s glaubt, wird selig. Aber man wünscht sich den wortgewaltigen Menno ter Braak zurück, um dem eitlen Pfauen Wilders mal ein paar Federn zu ziehen und ihn auf ein Setzkasten-Format zu stutzen.
Und ob die Herrschaften nun Wilders, HC Strache oder Ulrich Schlüer heissen, das Argumentarium ist das gleiche. Wer für Demokratie, Pluralismus und Toleranz zwischen den Menschen einsteht, ist gefordert!
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