Am zweiten, offiziellen Tag des Merida-Mediacamps standen die neuen Arbeitsgeräte des Teams Lampre-Merida im Zentrum. Zuerst wurde den Journalisten die Entwicklung der Rennräder im Detail präsentiert, dann standen diese für Ausfahrten bereit.
Nach der veritablen Fleisch-Orgie vom Vorabend war für mich klar: Ich würde meine Testrunde am Nachmittag abspulen. So hatte ich keine Eile, als die Präsentation zu Ende war. Statt mich gleich in Rennrad-Montur zu werfen, hatte ich Zeit und Musse, um einige Details des neuen Zeitfahr-Boliden abzulichten. Wegen des böigen Windes war es zwar etwas frisch, aber die Sonne schien bereits.
Am Nachmittag verdeckten zunächst immer wieder finstere Wolken die Sonne, und der Wind schien nochmals aufgefrischt zu haben. Um die Knie vor Auskühlung zu schützen, zog ich eine Zweidrittel-Trägerhose an, dazu ein Langarm-Trikot und ein ärmelloses Thermoshirt drunter. Alles in Weiss, haha. Weil das Wetter nicht so vielversprechend schien, kam noch eine neongelbe Regenjacke dazu - optisch eine Faust aufs Auge, aber praktisch. Schliesslich fielen auch noch einige Regentropfen, als wir uns auf den Weg machten.
Um Viertel vor zwei Uhr begab ich mich zur Testrad-Ausgabe - und musste mich in eine lange Kolonne einreihen. Na toll. Pro Nase brauchte es etwa zwei Minuten, bis die Personalien aufgenommen waren und ein Testbike in der passenden Rahmengrösse heraus gegeben werden konnte. Als noch etwa fünf Leute vor mir anstanden, hiess es, dass meine Rahmengrösse nicht mehr verfügbar sei. Kurz darauf kam aber ein Journalist mit dem genau richtigen Rennrad zurück von seiner Testfahrt: Ein "Scultura SL" in Rahmenhöhe 56cm.
Mit einer halben Stunde Verspätung folgten wir unseren Guides - ich hatte mich der langsameren der beiden Gruppen angeschlossen - und radelten aus Platja de Muro raus und via Alcudia in Richtung Cala Carbo. Dort zeigte sich das Mittelmeer von seiner ungestüm-winterlichen Seite. Die Wellen hätten jedem Surfer das Augenwasser laufen lassen, dafür schien Schwimmen angesichts der schroffen Felsküste und der Brecher keine gute Idee. Uns egal, wir gaben uns mit ein paar Schnappschüssen zufrieden, ehe wir uns auf den Rückweg machten.
Schon nach wenigen Minuten konnte ich mich der Regenjacke entledigen, und so wurde die Rückfahrt zu einer gemütlichen Angelegenheit bei Sonne und nur wenig Wind. Auffällig auch, wie rücksichtsvoll sich die einheimischen Automobilisten gegenüber einem Rudel Rennradler verhielten: Kein Hupen, kein demonstrativ knappes Passieren, und beim Kreuzen nahmen sie Tempo raus und liessen uns lieber noch mehr Platz, als sich Sorgen um ihren rechten Aussenspiegel zu machen. Da könnten sich Blechkutscher in der Schweiz eine Scheibe von abschneiden.
Wie wir nach 1h40min wieder zum grossen Zelt rollten, wartete bereits das Team des taiwanesischen Fernsehens auf uns, um Quotes zu den Rädern einzufangen. Die Journalistin war baff, als ich auf die Frage, wie denn das neue Merida-Rennrad zu fahren sei, wie folgt antwortete: "In two words: hen hao." Was Mandarin/Hochchinesisch für "sehr gut" ist. In der Folge erläuterte ich, wieso ich den Renner für gelungen hielt: Präzises Handling, verlustfreie Umsetzung von Antritten in Vortrieb und dennoch bequem zu fahren - was will man mehr? Vielleicht Warmwasser beim Duschen - aber weil mein Zimmer im dritten Stock war, kam erstens nur ein schwächliches Geplätscher aus der Brause, und zweitens wurde das Wasser maximal lauwarm.
Für einen Samstagabend wurde es danach nicht mehr besonders spät: Nach dem reichhaltigen Abendessen gönnte ich mir noch ein paar Bierchen (vor dem Abendessen ein grosses "Erdinger", danach "Mahou" aus Madrid), ehe ich mich hinlegte. Schliesslich war das erst der zweite Tag von insgesamt fünfen.
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