Dienstag, 23. September 2008

Einige Gedanken zum Thema Botellon

Die Jugend rebelliert mal wieder – indem sie im öffentlichen Raum Massenbesäufnisse zelebriert und ihren Dreck einfach liegen lässt. Die grössten Flaschen scheinen mir beim Botellon definitiv die Teilnehmer zu sein.

Das Phänomen stammt, wie der Name verrät, aus Spanien: «Botellon» heisst denn auch «grosse Flasche» auf Spanisch, und dort gibt’s die Massenbesäufnisse im öffentlichen Raum bereits seit einer Weile. Weil, wie die Jungen raisonieren, sie sich die überhöhten Preise für Alkohol in den Bars und Clubs nicht leisten können. Früher nutzte die Jugend noch Dorffeste, das Knabenschiessen, das Dörfli- oder das Langstrassenfest, um sich die Kante zu geben. Oder einfach die Fasnacht.

Der Auflauf als Beweis der eigenen Vernetzheit
In Zeiten von Facebook und Mobiltelephonen gilt es hingegen, eigene Events zu kreieren – und über die Teilnehmerzahl die eigene Vernetzung greif- und sichtbar zu machen. Und weil man als Jugendlicher noch keine eigene Bleibe hat, um eine Party zu schmeissen (und die Eltern zu selten in die Ferien verreisen), wird der öffentliche Raum zum Partylokal umfunktioniert. Das wäre ja grundsätzlich noch kein Skandal. Wie bei den Teilnehmern gilt aber auch für die Spuren: Der Kater folgt am kommenden Tag, in Form zugemüllter Parkanlagen und mit Scherben gespickter Liegewiesen.

So musste nach dem ersten Zürcher Botellon nicht nur gegen 6 Tonnen Müll entsorgt werden. Auch die beliebte Blatterwiese blieb am letzten schönen August-Wochenende für drei Tage gesperrt, weil die rund 2000 jungen Säufer(innen) das Grün flächendeckend mit Scherben kontaminiert hatten. Super auf einer Wiese direkt am See – ein Dankeschön an die flotten Teilnehmenden von meiner Seite. Dass zu allem Überfluss auch Sanitäter, die Schwerstrunkenen Hilfe leisten wollten, prompt angepöbelt und danach von der Polizei eskortiert werden mussten, passt bestens ins Bild. Zumal auch die bereit gestellten Container bloss umgekippt, aber demonstrativ nicht benutzt wurden.

Botellon Winterthur, oder: Wie blöd können 250 Leute tun?
Inzwischen haben verschiedene Städte und Käffer der Schweiz ihren ersten Botellon erlebt – mit durchaus unterschiedlichen Begleiterscheinungen: In der Romandie blieben diese Anlässe durchaus gesittet, und der Reinigungsaufwand hielt sich in engen Grenzen. Dagegen hatte der Botellon in der Winterthurer Altstadt ätzende Folgeerscheinungen: Die Putzequipen und die Feuerwehr konnten nur unter Polizeischutz anrücken, zwei Personen mussten nach Handgreiflichkeiten verarztet werden, und wegen eines entfachten und stundenlang am Brennen gehaltenen Feuers erlitt der Strassenbelag in der Steinberggasse gravierende Schäden.

Da die Winterthurer Stadtpolizei vor Ort war und die Personalien von Leuten aufnahm, die es mit dem Über-die-Stränge-Schlagen übertrieben hatten, darf man immerhin davon ausgehen, dass für die Folgekosten des Botellons in der Eulachstadt das Verursacher-Prinzip gilt (so die Jugendlichen für die von ihnen verursachten Schäden materiell aufzukommen im Stande sind). Ich würde Botellons schlicht nur noch auf umzäunten Baubrachen zulassen. Und von jedem Teilnehmer 10 Franken Eintritt verlangen – mit diesem Geld könnte man danach die Reinigung des Geländes bestens berappen.

Der Mikro-Botellon - die diskrete Variante?
Weiterhin grosser Beliebtheit erfreut sich übrigens auch die intime Variante des Botellon, wie dieser Abfallkübel am Bahnhof Stammheim zeigt: Überquellend mit Bier- und Redbull-Büchsen sowie einer leeren Flasche Red Vodka, zeugt er davon, dass der Gedanke, sich im öffentlichen Raum voll die Kante zu geben, so neu nicht ist. Überhaupt muss man sich fragen, worin denn die subversive Qualität respektive das rebellische Element eines solchen Massen-Besäufnisses liegen soll – in einem Land, wo Alkohol die Volksdroge Nummer Eins ist, von der Fasnacht über die Dorffeste bis zum 1. August.


Das wahre subversive Element besteht wohl im Liegenlassen des ganzen Drecks, im Rumschmeissen mit Flaschen und im Vollreihern und –urinieren von Vorgärten. Also in einem Verhalten, für das sonst offene Drogenszenen bekannt sind. Und irgendwie gemahnt so ein Botellon auch an eine offene Drogenszene: Alles dreht sich um die berauschende, in diesem Fall nicht einmal illegale Substanz, um sie herum entsteht das Wir-Gefühl, ihr gilt die volle Aufmerksamkeit. Einen grossen Unterschied gibt es freilich: Während die Medien am Platzspitz und am Letten nie gern gesehen waren, ballen sich die besoffenen Jugendlichen vor den Linsen der anwesenden Reporter, um sich und ihren Rausch zu zelebrieren.

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