Dienstag, 28. Februar 2012

Hicksteilchen, politisch

Auf der Suche nach dem Hicksteilchen sind mir vergangenes Wochenende im Widder spezielle Bierdeckel ins Auge gestochen: Mit sozialistischer Ästhetik und klarer Botschaft.


Was die JuSo und die Jungen Grünen des Kantons Zürich mit ihren hübsch gemachten "Saufen gegen Rechts"-Bierdeckeln machen, kann man zielgruppengerechtes Marketing nennen. Denn auf der Rückseite rufen die beiden Jungparteien zusammen mit der Gewerkschaft Unia dazu auf, am 11. März zu den beiden kantonalen Einbürgerungsvorlagen Nein zu sagen. Und zielen mit dem Bierdeckel als Träger der Botschaft auf ein junges Publikum.


Weil es vom Motiv wie von der Grösse her so gut passte, konnte ich mir einen kleinen Scherz nicht verkneifen. Man möge mir nachsehen.

Samstag, 25. Februar 2012

Winti Demolition Derby

Die Stadt Winterthur, einst eine Hochburg der Machinenindustrie, erfindet sich immer wieder neu - und dabei muss auch altes weichen. Im Moment wird grad im Sulzerareal beim Bahnhof mit der grossen Kelle abgebrochen.





Nix Fukushima - aber auch viel Schrott und verbogenes Metall: Winterthur, Sulzerareal. 

"SULZER" - einst war dieser Name fast identisch mit Winterthur als einem Zentren der schweizerischen Maschinenindustrie, Dampfkessel und Schiffsmotoren dieses Hersteller waren rund um die Welt im Einsatz. Seit den 80er Jahren schrumpft das Unternehmen. Die Kompressoren-Fertigung wurde an die Firma Burckhardt verkauft, die Schiffsmotoren gingen an Wärtsilä und die Medizinaltechnik an den US-Konzern Zimmer. Längst kursiert daher in Winterthur das maliziöse Bonmot, wonach Sulzer eine Abkürzung sei. Und für "sicheren und langsamen Zerfall eines Riesen" stehe.


Nun, dem Zerfall wird im zentrumsnahen Industrieareal neben dem Bahnhof zur Zeit maschinell Vorschub geleistet, und das nicht zu knapp. Für ein Shopping-Center und ein Bürogebäude der städtischen Verwaltung wird grad Platz geschaffen. Und dabei bleibt kein Backstein auf dem anderen. je nach Bildausschnitt könnte es sich auch um Kriegsschäden handeln - oder die Folgen eines Reaktor-Rülpsers. Aber zum Glück ist alles weit harmloser.



A room with a view: Vorne wird abgebrochen, im Hintergrund das Sulzer-Hochhaus.

Besonder gefallen haben mir einerseits die grossen, inzwischen fast frei hängenden Kaminkonstruktionen. Und andererseits das angeknabberte Verwaltungsgebäude aus Backstein, bei dem der oberste Stock noch intakt und für wagemutige Hausbesetzer bewohnbar erscheint. Auf jeden Fall bietet die Baustelle eine Menge lohnender Fotosujets.


Und für eine Stadt, die sich neu zu erfinden vermag, gilt ohnehin: So rasch ist noch nicht aller Tage Abend. Was nicht ausschliesst, dass es auch mal ein schönes Abendrot gibt.

Bugatti? Nein, Jaguar...

Am Freitag Nachmittag liess ich im Showroom von Trail Supply AG in Zwillikon eine Testbremse auf eines meiner Bikes montieren. Als ein auffälliger Oldtimer vorfuhr, war es für einen Moment um mein Interesse für Fahrrad-Teile geschehen.


Denn was da im Gewerbegebiet hinter der Albiskette vorfuhr, war wirklich sehr exotisch: Langgezogene Schnauze, Hinterräder in geschlossenen Radkästen, eine kurze Kabine und eine kühn geschwungene Karosse. Im ersten Augenblick hielt ich das exotische Gefährt für einen Bugatti, aber eben: Als Autoexperten würde ich mich nicht bezeichnen.


Bloss: die Farbe des Wagens - klassisches British Racing Green - verwies nicht nach Molsheim im Elsass, sondern in Richtung britischer Inseln. Und hinten aufm Kofferraum-Deckel prangte auch schon ein klassischer Jaguar-Schriftzug. Also kein Bugatti, trotz der extravaganten Coupé-Karosse. Sondern ein Jaguar, der mir so nicht geläufig war.


Inzwischen hab ich mich schlau gemacht und heraus gefunden, dass es sich bei diesem Bijou um ein "XK 120 Coupé" handelt. Von 1948 bis 1954 produziert, gab es die XK 120-Baureihe wahlweise als klassisch britischen Roadster mit Faltverdeck oder als Coupé mit auffällig gestalteter Kabine - fast möchte man von einer Haube sprechen.


Sehenswert auch die Front des Wagens: Die Scheinwerfer sind schon nicht mehr frei stehend, sondern in die Motorhaube integriert. Dieses Bemühen um Aerodynamik ist typisch für die 50er Jahre. Und der verchromte Kühlergrill ist von einer wohlproportionierter Eleganz, von denen die eher an Hasenscharten gemahnenden "Fressluken" bei neuen Audis und dem VW Crafter-Bus so weit entfernt sind wie Wladiwostok von Lissabon.


Die Krönung des Ganzen ist die Plakette vorne auf der Motorhaube: Der springende Jaguar in Silber war in der Schweiz wohl zu gefährlich für Fussgänger, darum ziert bei diesem Wagen eine flache Plakette mit Jaguar-Kopf die Front. Mit dem stolzen Vermerk "Jaguar Cars Ltd - Coventry".

Das waren noch Zeiten, als Jaguars mehr als aufgemotzte Fords waren. Und dass sich Jaguar heute im Besitz der indischen Tata Motors befindet, dürfte alten britischen Lords mit Erinnerungen an die Kolonialzeit wie ein schlechter Witz vorkommen.

Freitag, 24. Februar 2012

1000 Franken - quasi zum Mitnehmen

Die Fahrer von Kurierdiensten fallen nicht nur durch ihren eigenwilligen, auf maximalen Zeitgewinn bei stark reduzierter Rücksicht hin optimierten Fahrstil auf. Sie haben oft auch sehr eigene Vorstellungen davon, wie ein Paket beim Kunden abzuliefern ist.



Vergangene Woche erwartete ich eine Lieferung aus Deutschland. Und zwar ein Set Scheibenbremsen vom jungen Hersteller Brakeforce One. Diese Bremsen hatten an der Eurobike im vergangenen Herbst für Furore gesorgt. Und nun war also ein Paket mit diesen Bremsen aufm Weg zu mir.


Als ich am Donnerstag um drei Uhr nachmittags von einer Sitzung bei TA Media zurück nach Hause kam, stand tatsächlich ein Paket mit DHL-Aufschrift VOR der Haustüre - quasi zum Mitnehmen, in Selbstbedienung. Tags darauf, als ich mir die Testbremsen beim Schweizer Importeur montieren liess, hab ich mich nach dem offiziellen Listenpreis der Dinger erkundigt.


Nun: Für zwei Bremsen dieses Typs werden 1080 Franken fällig - und diese Lieferung stellt so ein DHL-Chauffeur einfach vor die Haustür. Sehr fahrlässig, und alles andere als korrekt. Ich bin froh, dass meine Nachbarn alle so korrekte Bürger sind. Und dass die Bremsen TROTZ DHL bei mir angekommen sind.


Wie sich die Brakeforce One in der Praxis schägt, muss sich nach der Einfahrzeit weisen. Optik, Haptik und Verarbeitung sind schon einmal schwer überzeugend, aber das sollte man auch erwarten von einem Produkt in diesem Preissegment. Und der konsequent für nur einen Finger konzipierte Hebel ist eine Ansage für sich.

Samstag, 18. Februar 2012

80 Franken für eine Nacht

Im März fliege ich zum fünften Mal nach Taiwan - erstmals mit einer Zwischenlandung in Peking. Weil aufm Rückweg der Nachtflug gestrichen wurde, muss ich nun in Chinas Hauptstadt übernachten. Und da wird es kompliziert.

Mit der Zwischenlandung in Peking lässt sich massiv Geld sparen: Das Retourticket Zürich-Frankfurt-Taipeh kostet mit dem Zwischenhalt in Peking statt 1200 nur noch 720 Euro, und da ich freischaffend unterwegs bin, spielt das eine Rolle. Also hab ich den Flug so buchen lassen. Und bekam schon bald gemeldet, dass aufm Rückweg der Nachtflug wegen mangelnder Nachfrage gestrichen worden sei. Mein Flug ab Peking gehe nun 13 Stunden später.



Schmuck: Das Generalkonsulat der Volksrepublik China an der Bellariastrasse 20.

Ich protestierte beim Reisebüro, und dieses erreichte immerhin, dass mir Air China ein Stopover-Hotel offerierte: Ausm Flughafen geht es per Taxi ins Hotel für eine Mütze Schlaf und am nächsten Morgen wieder zum Flughafen, alles auf Kosten von Air China. Viel werd ich von Peking nicht sehen. So ein Kurzaufenthalt von einer Nacht liegt in den Sonderverwaltungszonen (SAR) Hong Kong und Macau mit einem Pass eines Schengenstaates ohne weiteres drin. Auch in Shanghai ist ein Aufenthalt in der Stadt ohne Visum während 48 Stunden erlaubt.

Aber Peking ist anders: Wer hier nur schon den Flughafen verlässt, braucht zwingend ein Visum. Auch wenn es nur für eine unfreiwillige Übernachtung ist, wie in meinem Fall. Eine Lounge zum Übernachten wie in Hong Kong gibt es im Flughafen von Peking nicht, und dieser eignet sich dem Vernehmen nach schlecht zum Übernachten: Wem seine Siebensachen lieb sind, verzichtet darauf, Geschichten von Dieben im Flughafen gibt es zur Genüge. Nach einigen Mails war darum klar: Um ein Visum komme ich nicht herum.


Gestatten? Seite 1 von 4 des Formulars A. Formular B musste ich auch noch ausfüllen,
weil ich mein Visumsgesuch in der Schweiz stelle, aber keinen Schweizer Pass habe.

Also druckte ich insgesamt sechs Seiten Formulare aus und füllte diese aus. Auch Passfotos habe ich noch am Start, und am kommenden Montag werde ich beim Generalkonsulat der Volksrepublik China im Zürcher Quartier Enge vorbei gehen. Und dort zähneknirschend 80 Franken bezahlen für ein Visum für eine unfreiwillig im Reich der Mitte zu verbringende Nacht. Keine Werbung für China als gastfreundliche Destination, fürwahr. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, irgendwann. Vielleicht erleb ich das sogar noch.

Freitag, 10. Februar 2012

Schwarzräumung: Salz-Schweinerei

Anders als vor einem Jahr scheint die Stadt Winterthur eisern entschlossen, auch Quartierstrassen schwarz zu räumen. Das Resultat ist eine gruselige Pampe auf der Strasse.

Gestern nach 23 Uhr schneite es heftig - und kein Salzstreuer weit und breit.
 
Vor einem Jahr war der Salzmangel der kommunalen Strassenmeistereien ein grosses Thema. Nur die Hauptstrassen wurden noch gesalzen, die Nebenstrassen präsentierten sich so weiss wie Skipisten. Dieses Jahr ist alles anders: Die Herren in Orange scheinen sich geschworen zu haben, dem Schnee auf der Strasse keine Chance zu geben. Also wird Salz geschmissen, bis der Arzt kommt.


Das Resultat: Die Nebenstrassen sind mit einer dünnen Schicht dunkler Matsch-Pampe bedeckt. Wo diese Markierungen verdeckt, ist es glatt wie Schmierseife, dasselbe gilt auch für Schachtdeckel. Höchst unangenehm für Zweirad-Fahrer, weil man nie genau weiss, wie viel Traktion der Untergrund grad her gibt. Dafür pappt sich der widerliche Matsch ungehemmt am Rahmen fest, und da er vor Salz nur so strotzt, ist er Gift für die Mechanik eines Fahrrades.

Fast schon ein aerodynamisches Hilfsmittel: Matschpropfen am Tretlager

Von mir aus könnte die Stadt Winterthur ihren Furor gegen schneebedeckte Fahrbahnen gerne auf Hauptstrassen beschränken - und auf Nebenstrassen den Schnee bloss walzen und so zu einem kompakten Panzer verdichten. Das böte eine verlässlichere Traktion, und zudem würden die Velos nicht einem Bad im Salzwasser ausgesetzt.

Røykende Maskin (2007)

Schon wieder so sinnbefreit, dass es nur noch gut ist: Kristoffer Myskjas kettenrauchende Maschine aus dem Jahr 2007. Anschauen und geniessen. Ein Geheimtipp für unterfrequentierte Fumoirs?


Mehr Werke des Norwegers Kristoffer Myskja gibt es auf seiner Website zu sehen. Ein Besuch lohnt sich.

Montag, 6. Februar 2012

Für Velophile: Cyclepedia

 Aus dem fernen Wien wurde ich auf diesen Kurzfilm aufmerksam gemacht: Es geht um eine iPad-App, die Aufschluss über Velo-Klassiker gibt. Anclicken und geniessen.



Ob Faltrad oder Zeitfahrbolide, ob nobel-altväterliches Stadtrad, relaxtes Liegerad oder minimalistischer Renner: Die beworbene App bietet in einem Wisch Informationen zu jeder erdenklichen Art von Fahrrad. Und dazu eine einzoombare Rundumsicht von beeindruckender Studio-Qualität. Eine sympathische Idee und ein gut gemachter Werbefilm. Danke für den Link, Roger.

(Wirklich) Kalte Ausfahrt

Nach Mitternacht ist die Temperatur auf -16° abgesackt, am Nachmittag waren es mal - 7.6°. Und als ich am Abend für eineinhalb Stunden mit dem Bike unterwegs war, wohl -10°. Spass gemacht hat's trotz der Kälte.

 
Gepackt hat es mich, als ich mir am Nachmittag per Live-Stream ein Rennen der Superprestige-Rennserie (Radquer) in Belgien geguckt habe: Die Fahrer legten auf dem hart gefrorenen Boden in Hoogstraten (Belgien) ein irrsinnig schnelles und spannendes Rennen hin. Wie ich dem Rennen folgte, reifte der Entschluss: Ich wollte auch noch fahren gehen. Also lud ich den Akku der Light&Motion-Lampe nochmals, packte den Rucksack und begann, mich Schicht um Schicht gegen die Kälte zu wappnen: Eine Dreiviertel-Trägerhose mit Sitzeinsatz, ein ärmelloses Thermoshirt, weiche Knieschützer und dicke Sportsocken, als zweite Schicht ein dickes Langarmtrikot, eine lange Motocross-Hose und GoreTex-Übersocken, darüber nochmals eine winddichte, warme Jacke zum Radeln und ein Kapuzenpullover.


Statt Clickpedalen kamen einfache Tatzen ans Tourenbike - bei Clickerschuhen bildet die Aussparung für die Pedalplatte eine verlässliche Kältebrücke, auf die ich verzichten konnte. Also mussten die FiveTen-Schuhe herhalten. Noch ein Microfaser-Schlauch um den Hals und ein Stirnband mit Ohrenwärmern unterm Helm und zwei paar Handschuhe übereinander, und ich war bereit. Um zehn vor Sechs abends, daher der starke Scheinwerfer für den Lenker. Auf der kurzen Standardrunde um den Eschenberg und auf den Töss-Ufertrails zurück war der Boden zwar hart gefroren, der Schnee aber nur leicht angespurt. Zu Beginn zwang Schnittholz einige Male zum Absteigen und Schieben, aber das war rasch vorbei. Was blieb, war der Schnee, der das Vorankommen auf den kleinen Wegen mühsam machte und zu steter Konzentration zwang. Ausser einigen Autos begegnete ich keiner Menschenseele mehr, nachdem ich die Stadt hinter mir gelassen hatte.


Erst nach etwa eineinviertel Stunden meldeten sich die Zehen, und auch an den Händen wurde es langsam frisch. Aber da rollte ich schon am eingeschneiten Pumptrack am Reitplatz vorbei und konnte mir keine zehn Minuten später einen warmen Tee Rum gönnen. Man kann an einem Sonntag Abend dümmeres machen - Kälte hin oder her.

Sonntag, 5. Februar 2012

Wie angegossen

Nein, diese Handschuhe sind nicht vor lauter Dreck erstarrt. Sie passen einfach unglaublich gut und sind dazu noch zäh.



Die Schweden von POC geizen bei ihrer Schutzausrüstung nicht mit eigenständigen Designs und hochwertigen Materialien, und da macht der "Index Flow" keine Ausnahme. Innen sorgt dünnes Pittardleder ohne störende Polster oder Nähte für spartanischen Komfort und ein direktes Gefühl am Lenker ohne Druckstellen.

 

Das Sahnehäubchen ist die Aussenseite: Dickes, dennoch geschmeidiges Leder umhüllt die beiden kleinsten Finger und zieht sich über den Handrücken. Die übrigen Finger sind aus leichterem, dennoch robustem Material gefertigt. Besonders geschützt sind die Fingerknöchel: Über dem kleinen und dem Ringfinger ist eine vorgeformte Carbonplatte eingearbeitet, über dem Mittel- und Zeigefinger eine Aufschäumung.


Der "Index Flow" hält nicht nur erfreulich lange, sondern sitzt auch wie angegossen. Das zeigt sich auch, wenn man die Dinger nicht trägt: Die beiden kleinen Finger bleiben leicht gekrümmt, auch gegen die Schwerkraft. Was dem Handschuh einen leicht zombiehaften Charme verleiht.

Samstag, 4. Februar 2012

Game Over: Death by WOW

Auch ich habe eine Xbox 360 (und unter einer Schicht Staub eine PS2) im Wohnzimmer stehen. Auch ich bin Computerspielen nicht abgeneigt. Aber wortwörtlich bis zum Tod spielen? So befremdend das klingt, es kommt vor...

Wie die Online-Ausgabe der englischsprachigen, taiwanesischen Zeitung Taipei Times (gehört zu Liberty Times Group und steht der Pan-Green Opposition nahe) heute meldet, hat sich ein 23jähriger Angestellter eines Kabelfernseh-Betreibers in einem Internet-Café in New Taipei City wortwörtlich zu Tode gespielt. Der Mann sei um 10 Uhr am Donnerstag Abend in dem Café erschienen und habe laut einem Angestellten des Internet-Cafés im Voraus für eine Dauer von 23 Stunden (!) bezahlt.

Für alle, denen "WOW" nichts sagt: So schaut das (in etwa) aus.

Und sich dann an einer der Stationen eingerichtet, um in die Spielwelt von  "World of Warcraft" abzutauchen. Ob er dort einen eigenen Charakter voran trieb oder als eine Form von Nebenerwerb kommerziell mühsame Fleiss- und Sammelaufgaben für Spieler in anderen Ländern erledigte (ja, diese Art von Erwerbstätigkeit hat sich rund um "World of Warcraft" wirklich entwickelt - und wurde sogar schon von Aufsehern in Zwangsarbeitslagern der Volksrepublik als Einnahmequelle entdeckt), ist nicht bekannt. Auf jeden Fall meldet der Angestellte des Internet Cafés, er habe gesehen, wie der Kopf des Spielers nach etwa zehn Spielstunden nach unten gesackt sei.

Foto: Cheng Shu-ting, Taipei Times

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"Seeing Chen’s hands rigidly stretched out in front of him as if he were still gaming when he moved the sofa chair back, the clerk said he called police."
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Er habe sich nichts dabei gedacht und angenommen, dass der Kunde eingedöst sei. Umso grösser der Schreck, als er diesen 13 Stunden später wecken wollte, weil die im Voraus bezahlte Nutzungsdauer abgelaufen war: Die Totenstarre hatte bereits eingesetzt.  Und die rund 10 anderen Spieler im Café liessen sich von der ermittelnden Polizei vor Ort nicht weiter stören und erwiesen sich weder als auskunftsfreudig noch als ergiebige Quellen: Sie hatten vom Ableben ihres Mitspielers schlicht nichts mitbekommen, und sie liessen sich auch durch die um die Leiche wuselnden Forensiker nicht vom Spielen ablenken.

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"On the issue of other players in the cafe not paying any attention to someone’s death, National Tsing Hua University Institute of Sociology professor Wang Chin-shou (王俊秀) yesterday said that once people were addicted to games and the Internet, it is easy for them to over-indulge and blur the lines between the virtual and the real world."
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Eine etwas gruselige Geschicht, zugegeben, die aber einen Einblick in die oft obsessive Gamer-Subkultur in Fernost liefert. Und die dem Ausdruck "Game Over" eine ganz neue Bedeutung verleiht.