Sonntag, 29. November 2009

Faust im Sack – Brett vorm Kopf

Es ist grau. Und Sonntag. Ein grau(enhaft)er Abstimmungssonntag. Denn die Annahme der Minarettsverbots-Initiative zeichnet sich ab. Herr und Frau Schweizer erweisen sich einmal mehr als die Meister der Faust im Sack.

Die Minarettverbots-Initiative bot den Stimmberechtigten mal wieder die Möglichkeit, aus dem Schutz der Anonymität (geheime Stimmabgabe) ihrem Unbehagen über das Fremde Ausdruck zu verleihen. «Das Fremde» sind in diesem Fall Minarette als sichtbares Beleg für die Anwesenheit der muslimischen Gemeinde in der Schweiz. Und deren Bau soll durch einen Zusatz in der Verfassung im ganzen Land verboten werden.

Wohlgemerkt: Bisher stehen in der Schweiz keine 5 Minarette, und diese noch nicht einmal an repräsentativen Standorten, sondern meist an verkehrsumtosten Standorten in Gewerbezonen. Für den rechten Rand des politischen Spektrums um SVP, EDU und Lega kein Grund, auf eine alarmistische Verbotsinitiative zu verzichten, welche vor allem ein Ziel verfolgt: Muslime in der Schweiz auszugrenzen, so diese sich nicht komplett assimilieren wollen.

Das Fremde als Bedrohung
Dass es den Initianten nur ganz am Rande um den Bau von Minaretten als vermeintlichen «Machtsymbolen eines politischen Islams» (O-Ton der Initianten) geht, verrieten die Diskussionen im Vorfeld der Abstimmung: Da ging es um die Unterdrückung der Frau im islamischen Kulturbereich (ein Thema, bei dem sich die SVP zumindest auskennt, denn diese Partei bekämpft alle Massnahmen, welche die Frau von Kinder, Küche und Kirche weg zu einer selbständgen Gestaltung des Lebens führen könnten), um Kopftuch, Schleier und Burka, um die drohende Einführung der Scharia und islamistische Parallelgesellschaften und Hassprediger.

Kurzum: Acht Jahre nach 9/11 mussten die Muslime in der Schweiz als Feindbild hinhalten. Das alles könnte man als Episode abtun, wenn die Initiative deutlich verworfen worden wäre. Aber leider kommts anders: Herr und Frau Schweizer wollten diesen Muslimen (die zu gut 90% als Billig-Arbeiter ins Land kamen und deren Kinder die Schweiz vor kurzem in Nigeria zum U17-Weltmeistertitel im Fussball geschossen haben) Kraft ihres Stimmzettels mal wieder zeigen, wer Chef im Schweizerhaus ist.


Ist die Initiative auf Gesetzesstufe umsetzbar?
Dass diese Machtdemonstration nicht dazu geeignet ist, die Integration der Muslime in der Schweiz zu erleichtern, ist eine Sache. Genauso wie der Eingriff in die Gemeindeautonomie - denn Bauzonenordnungen liegen ansonsten in der Kompetenz der Gemeinden. Dass nun eine Ungleichbehandlung verschiedener Religionsgemeinschaften in die Verfassung eines laizistischen Staates geschrieben werden soll, die an sich Kultfreiheit und eine Gleichbehandlung aller Gemeinschaften vorsieht, ist eine andere Sache. Gespannt darf man zudem sein, wie islamistische Hardliner in Ländern wie Pakistan auf die Kunde des Minarettverbots reagieren.

Sollte es dort zu Ausschreitungen kommen, werden diese von den Initianten zweifellos wieder als Beleg für die gewaltbereite Natur des Islams und seiner Anhänger ins Feld geführt werden. Zu unguter Letzt erinnert die Annahme der Initiative an Max Frischs Diktum «Man holte Arbeitskräfte, aber es kamen Menschen.» Und mit den Menschen deren Kultur – und deren Religion. Anders als deren billige Arbeitskraft scheint die aber nicht willkommen.

Ein später Triumph für den Schwarzenbach-Sekretär Schlüer. Und ein Armutszeugnis für die Stimmberechtigten in der Schweiz.

PS: Die Annahme der Initiative erfolgte nach meiner Beobachtung überall dort besonders deutlich, wo man Muslime nur aus den Medien und der Abstimmungspropaganda der Verbots-Befürworter kennt. Und das ist es, was mich am nachdenklichsten stimmt. So sagten in Appenzell Innerrhoden (wo das Stimmrecht für Frauen anfangs der 90er Jahre vom Bundesgericht erzwungen werden musste) unglaubliche 71.4% der Abstimmenden ja zu dieser Vorlage.

PPS: Sollten gewisse junge Fussballer, etwa Haris Seferovic, nach Annahme dieser Initiative weniger Lust verspüren, weiter für die Schweiz gegen den Ball zu treten, wäre ich nicht überrascht. Viele der Stimmberechtigten, die soeben den Muslimen an der Urne eine Ohrfeige verpasst haben, würden aber mit Garantie empört aufheulen. Sollen sie.

Donnerstag, 26. November 2009

Neues aus der Velomuster-Stadt

Winterthur gilt unter den Schweizer Städten noch immer als Musterschüler, was die Förderung des Veloverkehrs betrifft. Warum, ist mir wirklich ein Rätsel.

Schon seit Jahren mangelt es am Winterthurer Hauptbahnhof akut an Abstellplätzen für Fahrräder. Dies hat nicht selten zur Folge, dass man morgens seine liebe Mühe hat, noch ein Plätzchen für den Drahtesel zu finden – und aufm Rückweg unter Umständen kaum an selbigen heran kommt. Das Problem ist bekannt, man hat sich irgendwie damit arrangiert und rechnet seitens der SBB schon gar nicht mehr mit Verbesserungen. Auf der Seite des Altstadt hat die Stadt Winterthur die famosen, zweistöckigen Veloständer aufgestellt, aber auf der Rückseite des Bahnhofs sucht man vergebens nach einem Ausbau der Kapazitäten.

Was sich die SBB aber heute erlaubt hat, geht eindeutig ein paar Schritte zu weit. So viel vorweg: Leider gibt’s auch unter den Velofahrern rücksichstlose Arschgeigen, die ihre Velos so hinstellen, dass die Fussgänger kaum noch vorbei kommen. Offensichtlich wars heute aus der Sicht der SBB mal wieder Zeit, ein Exempel an den velofahrenden Zugpendlern zu statuieren. Also wurden alle wild abgestellten Räder auf einer kleinen Fläche zusammen gepfercht – verschachtelt und auf eine derart lieblose Art und Weise, die Schäden an Lack und Anbauteilen fast schon zwingend nach sich zieht.

Dummerweise haben die SBB-Mitarbeiter die ganzen körbchenbewehrten Rostlauben auf korrekt abgestellte Fahrräder geschmissen, die dort jeden Tag stehen. Denn mit etwas Geschick kommt man mit dem Velo gerade so zwischen Geländer und Selecta-Automat vorbei – und findet dann auf dem Sprickel zwischen Gleisen und Unterführung einen Abstellplatz. Einen nota bene, der niemanden in irgend einer Art behindert. Genau diesen Platz hat sich nun aber die SBB für ihre kleine Strafexpedition ausgesucht. Und damit Leute mitbestraft, die keinen Zusatzaufwand scheuen, um anderen NICHT zur Last zu fallen.

Und zuhinterst, hinter (zum Glück für die SBB nicht unter...) einem wilden Mikado-Haufen aus Fahrrädern, stand mein Renner – immerhin stand er noch, aber eine Pedale eines anderen Velos hatte sich bereits im Vorderrad verkeilt. An mein Velo kam ich nur balancierend heran, eine Hand am Geländer, worauf ich es auch noch über das Geländer heben und wieder zurück balancieren musste. Am liebsten wär ich gleich zu den Verantwortlichen der SBB gegangen, um ihnen alle Schande zu sagen. Aber mit Frischwaren im Rucksack hab ich mich dann doch gleich auf direktem Wege heim begeben.

Fazit: Wenn Winterthur der Musterschüler in Sachen Fahrradförderung sein soll, dann ist die ganze Schweiz eine Spez. Und Winterthur der Spez-Primus, der sich schon viel zu lange auf seinen gammligen Lorbeeren ausruht. Die SBB sollte sich überlegen, ob man so mit einem Teil der eigenen Kunden umgehen soll – und vor allem sollten SBB-Mitarbeiter sich davor hüten, eins meiner Fahrräder mit ihren Griffeln anzurühren. Dann gibt’s nämlich richtig Rabatz.

Sonntag, 22. November 2009

(Sch)Merz lass nach

Gesichtsverlust hin, Fehlinformationen im Bundesrat her: FDP-Präsident Fulvio Pelli will, dass Bundesrat Merz bis zu den Wahlen im Herbst 2011 im Amt bleibt. Keine erfreulichen Aussichten.

Eigentlich gingen die meisten Beobachter in der Schweiz davon aus, dass Hans-Rudolf Merz sich nach dem Ende seines Präsidialjahres relativ bald in den Ruhestand verziehen würde. Zu sehr hatte er mit nicht mit den Regierungskollegen verabredeten Einzelaktionen diese und auch die parlamentarische Kontrollkommission brüskiert. Und zu tief steckte Merz im lybischen Morast fest – und hat gemäss eigenen Aussagen darum das Gesicht verloren. Mal ganz abgesehen davon, dass Merz für den wohl teuersten Gepäcktransport in der Geschichte des Bundesstaates Schweiz verantwortlich zeichnet.

Doch nun lässt Fulvio Pelli als FDP-Parteipräsident verlauten, dass Hans-Rudolf Merz’ Leistungsnachweis tadellos sei und der Magistrat darum bis zum Ende der Legislatur im Amt verbleiben solle. Damit zeigt Pelli einmal mehr, dass er im Ausblenden von Kritik an Merz grosse Klasse ist. Aber er macht es sich zu einfach, wenn er Merz’ Leistung nur am Pegelstand in der Bundeskasse festmachen will.

Denn in der Konfrontation mit den US-Steuerbehörden hat Merz den Ernst der Lage zu lange nicht erkannt – wie auch nun, da die italienische Steueramnestie dem Tessiner Finanzplatz einen Teil des (Schwarz-)Geldes abspenstig macht. Und statt die sachliche Diskussion mit Peer Steinbrück zu suchen, spielte Merz auf der Klaviatur antipreussischer Ressentiments, assistiert von Blick und anderen Medien. Da wurde aus dem Sozialdemokraten Steinbrück ratzfatz ein Sturmbannführer, und Merz rief zur nationalen Solidarität auf. Solidarität womit? Mit der Beihilfe zum Steuerbetrug?

So bedenklich diese Fehlleistungen des Ausserrhödlers sein mögen, so reichen sie noch nicht für einen raschen Rücktritt – wie es überhaupt in der Schweiz nicht usus ist, persönlich die Konsequenzen aus Fehlleistungen zu ziehen und sein Amt zur Verfügung zu stellen. Für einen baldigen Rücktritt spricht aber, wie nachhaltig Merz mit seiner ebenso unaufrichtigen wie undurchsichtigen Kommunikationspolitik die Chemie im Bundesratsgremium vergiftet hat: Noch am Tag vor seiner Reise nach Tripolis verneinte er gegenüber dem Kollegium seine Reisepläne. So ein egoistischer Irrläufer hat in einem Kollegialgremium wie dem Bundesrat nichts mehr verloren.


Auch für Giacobbo und Müller ist Merz kaum noch mehr als eine Witzfigur.
Und das noch weitere zwei Jahre? Nein danke!

Zumal es Merz, offensichtlich beschwipst ob seines Amtes als Bundespräsident, auch noch für nötig befand, die Genfer Kantonsregierung für ihr Handeln in den Senkel zu stellen (ein ungeheurlicher Eingriff in die Autonomie der Kantone) – und gar Medien für deren in Bezug auf Ghadaffi’s missratenen Sohn zu wenig pflegliche Berichterstattung zu kritisieren. Auch hier muss man festhalten: Weder ist Merz oder die Schweiz als völkerrechtlicher Akteur dafür verantwortlich, was Medien schreiben. Noch viel weniger haben sie in dieser Hinsicht irgend etwas zu melden oder gar Vorschriften zu erlassen.

Quelle: 24heures

Dass Pelli den kaum noch zu haltenden Merz nun dazu überreden will, bis zum Ende der Legislatur im Amt zu verbleiben, hat parteipolitische wie wahlstrategische Gründe. Denn nichts ist für eine Partei im Vorfeld nationaler Wahlen dankbarer als eine Diskussion um die Nachfolge im Bundesrat: Der Reigen möglicher Kandidaten dient als Leistungsschau für die jeweilige Partei, wie viele fähige Köpfe sie vorzuweisen hat. Der Sache wie der eigenen Gesundheit zu Liebe sollte Merz nicht auf Pelli hören, sondern seinen Sitz in der Regierung nach dem Ende seines Präsidialjahres räumen.

Samstag, 21. November 2009

Schau mir in die Augen...

Erstmals seit sieben Jahren war ich wieder beim Optiker, um meine Augen checken zu lassen. Und siehe an: Erstmals seit über 20 Jahren hat die Sehkraft nicht abgenommen. Freude herrscht!


Für Kurzsichtigkeit gibts eine Faustregel, wonach ab dem 30. Geburtstag die Sehkraft zumindest in dieser Hinsicht nicht mehr abnehmen sollte - im Gegenteil, oft verbessert sich das Sehen in die Ferne von diesem Zeitpunkt an leicht, dafür kommt dann die Weitsichtigkeit irgendwann ins Spiel. Eine neue Brille muss aber vor allem darum her, weil die Gläser der alten grässlich verkratzt sind - und das Gestell auch schon an einer Stelle behelfsmässig repariert wurde.


Nun, anlässlich des Augenchecks von vorgestern bei der hiesigen Fielmann-Filiale kann ich mit Freude vermelden: Seit 2002 hat die Sehkraft meiner Glubscher nicht mehr abgenommen (die erste Brille gabs für mich 1985, am Ende der Grundschul-Zeit). Die Gläser werden also nicht mehr dicker - im Gegenteil, weil ich mich für eine etwas höhere Glasqualität entschieden habe, werden sie gar dünner.


Schlanker als bisher kommt auch das neue Brillengestell daher, mal abgesehen von den Bügeln - die sind erheblich breiter als beim Vorgänger. Die leichte Aufwärtsbiegung, die schon fast als böser Blick daher kommt (um mich mal des Autotuner-Jargons zu bedienen), wird dem Gestell vorm Einsetzen der Gläser noch ausgetrieben werden.

Samstag, 14. November 2009

Von Föhn und Gegenwind

Da sich für den Samstag eine Föhnwetterlage einstellte, bot sich die Gelegenheit, nochmals aufm Rennrad ein paar Kilometer zu schrubben.


Also erst einmal den Schlauch vorne wechseln (das sauteure Leichtbau-Teil von Continental hatte keine zwei Wochen gehalten), dann in die Zweidrittels-Trägerhose schlüpfen, ein Thermo-Trägershirt unter das Qloom-Langarmtrikot und eine Windstopper-Weste drüber.

Damit wars unterwegs gerade so warm genug, so lange ich voll in die Pedale trat. Als die krtischen Punkte erwiesen sich die Zehen, Fingerkuppen und Ohren. Verglichen mit den anderen Gümmelern, denen ich begegnete, war ich auch eher auf Herbst getrimmt: Manch eine dick vermummte Gestalt trat im Tösstal in die Pedale.

Beim kurzen Zwischenhalt zum Photographieren wurde es dann schon eher frisch. Dafür bot sich föhnbedingt eine super Aussicht. Weil der Föhn schon wieder in sich zusammen fiel, bekam ich es auf dem Rückweg mit Gegenwind zu tun. Und hatte entsprechend zu beissen.

Wo es sonst mit Tempi gegen 40 dahin geht, musste ich diesmal rein halten, um das Tempo über der 30er-Grenze zu halten. Und weit und breit nichts in Sicht, das als Windschatten getaugt hätte. Was in meiner Richtung unterwegs war, hatte dafür nie das nötige Tempo ( auch nicht der schnieke Carbon-Flyer, der vor mir aufm Radweg auftauchte).

Umso schöner, dass ich am Schluss drei Minuten schneller als angepeilt war: Eine Stunde und 37 Minuten für die 50 Kilometer durchs Vordere Tösstal, vorbei am Bichelsee und via Aadorf als Wendepunkt wieder zurück nach Winterthur.

Donnerstag, 12. November 2009

eBikes und Steampunk

Im Arte-Magazin «Tracks» wurde kürzlich über Steampunks berichtet. Inspiriert von Jules Verne, mischen diese viktorianische Ästhetik mit ScienceFiction – und stellen dabei moderne Technologien mit einem Augenzwinkern in Frage.

Da frage ich mich: Bin ich ein eBike-Steampunk? Dass ich kein grosser Fan von eBikes bin, habe ich hier schon früher Kund getan. Wenn dank dieser Fahrräder mit elektrischem Zusatzantrieb mehr Leute Kurzstrecken per Velo statt mit dem Auto zurücklegen, soll es mir recht sein. Aber seien wir ehrlich: Die Dinger sind bisher schwer und sehen funky aus.

Denn das Fahrrad überzeugt mich, weil es ein ebenso simples wie effizientes Vehikel ist: 10 Kilo Metall, Kunststoff und Gummi reichen, um einen rasch und flexibel von A nach B zu bringen. Aus eigener Kraft, ohne fossile Brennstoffe und ohne Abgase. Und auch ohne Strom, der zum Teil aus bulgarischen AKWs und Braunkohle-Kraftwerken stammt

Wie ich mir den «Tracks»-Beitrag über Steampunk anschaute, kam mir noch ein weiterer Grund dafür in den Sinn, warum ich mich nicht richtig für eBikes begeistern kann. Denn die Steampunks stricken an einer Gegenwelt, die auf der Dampfenergie basiert. Der Grund: Diese sei im Unterschied zur modernen, auf Verbrennungsmotoren und Elektronik basierenden Technologie begreif- und reparierbar.

Krude Mechanik statt cleverer Elektronik, Transmissionsriemen statt Touchscreens, so lautet das Ideal der Steampunks, und Plastik ist definitiv nicht angesagt. Mehr noch als eine Dampfmaschine ist auch das Fahrrad mechanisch simpel und bei Bedarf mit wenigen Werkzeugen und Ersatzteilen zu reparieren – mal abgesehen von den Federelementen moderner Mountainbikes, zumindest.

Noch muss niemand das Fahrrad zwecks Diagnose an einen Laptop anschliessen. Bei eBikes sieht das bereits anders aus: Steuerungselektronik, Sensorik und Elektromotoren rufen im Fall eines Defekts nach der Fachwerkstatt. Ein Teil des Fahrrades, dieses Inbegriffs von simpler und doch überzeugender Mechanik, droht so zur Blackbox für den Konsumenten zu werden. Aus der Unterhaltungselektronik kennt man das nicht anders, beim Fahrrad ist mir diese Tendenz zum Irreparablen aber höchst suspekt.

Beim Anblick von Jake von Slatts auf viktorianisch getrimmten Lap- und Desktops kam mir noch ein weiterer Bezugspunkt zum Fahrrad in den Sinn: Nicht wenige der Juwelen, die an der «Northern American Handmade Bicycle Show» (NAHBS) ausgestellt werden, scheinen einer ganz ähnlichen Ästhetik zu huldigen.


Holz, auf Hochglanz polierte Metallflächen und ein generell eigenwilliger Mix aus alt und neu zeichnen zum Beispiel auch das «Blinglespeed» der kleinen Rahmenbau-Schmiede Naked aus, welches dieses Jahr den Zuschauerpreis an der NAHBS erhielt. Ein wahres Steampunk-Radel, und ein Augenschmaus dazu.

Von Secondos und Eidgenossen

Die Erfolge der Schweizer U17-Fussballnationalmannschaft in Nigeria bieten Anlass, über Begriffe wie Überfremdung und «Eidgenossen» nachzudenken.

Auf Eurosport, wo die Spiele der U17-Fussball-WM bereits übertragen wurden, bevor sich der Vormarsch der Schweizer Mannschaft bis ins Halbfinale abzeichnete, spricht der Kommentator regelmässig nicht von Schweizern, sondern von «Eidgenossen» - dies vor allem, um sich nicht zu oft zu wiederholen. Angesichts der Tatsache, dass das Gros der Spieler der Schweizer U17-Fussballnationalmannschaft seine Wurzeln nicht in der Schweiz hat, ist das schon fast unfreiwillige Komik.

Denn in der Schweiz selbst wird das Wort «Eidgenosse» abgesehen vom Geschichts-Unterricht an der Primarschule (vom Rütli bis Marignano, alles andere ist heikel und voller Widersprüche und darum für Kinder nicht geeignet) nur noch selten verwendet. Dafür auffällig oft als Kampfvokabel von xenophoben Leserbriefschreibern, die sich etwas darauf einbilden, dass sie keinerlei Migrationshintergrund haben. Schweizer könne man durch einen administrativen Akt werden, argumentieren diese mir unheimlichen Patrioten. Eidgenosse sei man dagegen von Geburt an, oder eben nicht. Wer hier Blut und Boden heraus schmeckt, liegt nicht falsch. Wer an Inzucht denkt, wohl auch nicht.

Noch viel lustiger wird’s aber, wenn solche Zuschriften aus Gebieten wie dem Thurgau, dem Aargau, dem Waadtland oder dergleichen stammen. Denn diese Gebiete waren zur Zeit des Ancien Régimes Untertanen-Gebiete, welche von den Eidgenossen gemeinschaftlich und im Turnus geschröpft wurden. So ist es kein Zufall, dass die grössten und prächtigsten Häuser in der Altstadt des Thurgauer Hauptortes Frauenfeld Namen wie «Bernerhaus», «Zürcherhaus» oder «Luzernerhaus» tragen: Es waren die prunkvollen Sitze der Landvögte dieser Kantone, gebaut mit den vor Ort erhobenen Zwangsabgaben. Erst Napoléon setzte dem Ancien Régime und damit diesem Treiben ein Ende. Aber auch der Eidgenossenschaft.

Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern: Die U17-Nationalmannschaft,
eine veritable Weltauswahl - und bemerkenswert erfolgreich.

Wenn also irgendwelche Turbopatrioten das nächste Mal wieder meinen, sie müssten sich etwas darauf einbilden, dass sich ihre Familie über Jahrhunderte in der Schweiz nachweisen lasse, dann sollten sie doch bitte auch daran denken: Die Eidgenossenschaft war kein Rechtsstaat, neben vollberechtigten Burgern gab es Untertanen verschiedener Kategorien. Die einen waren etwas besser dran (etwa die Zürcher Oberländer, die der Stadt Zürich nach der Pfeife zu tanzen hatten), die anderen nochmals schlechter. Wie die Thur- und die Aargauer.

Für mich ist die aktuelle U17-Nationalmannschaft der Schweiz mit ihrem multiethnischen Background eine passende Vetretung dieses Landes auf internationaler Bühne. Wem vor solchen «Zuständen» graut, dem empfehle ich, den Passivsport-Konsum auf von der Migration noch nicht erfasste Sportarten wie Schwingen, Hornussen und Nationalturnen einzuschränken. Alle anderen dürfen sich gerne über die erfrischend freche Spielweise dieses Teams freuen – und über die Erfolge. Denn sie sind Erfolge einer Schweiz, die Fremden gegenüber offen ist und sich nicht abschottet. Und das, meine lieben, unheimlichen Patrioten, war in den vergangenen 150 Jahren das Erfolgsrezept dieses Landes.

Prozac is a Music Video

Grauer Himmel, Regen und Kälte: Der November wird allen Negativ-Stereotypen gerecht - und geht an die Nieren respektive die Stimmung. Höchste Zeit für etwas Aufheiterndes.



Wie das Video zum Song "Happy Up Here" des norwegischen Elektronik-Duos Röyksopp. Beavis und Butthead würden sich zweifellos unsäglich über die Buchstaben im Video aufregen - letters suck and stuff like that. Als Teil der Generation Space Invaders find ich den Clip aber grandios - go, Taxi, go, gib den Aliens Saures!

Montag, 2. November 2009

Es herbstet - und wie

Am Sonntag Nachmittag schwang ich mich kurzentschlossen auf das schwerste meiner Velos, um mal wieder eine kleine Standardrunde hoch nach Brütten zu machen.


Im Herbst gibts jeweils ein kurzes Zeitfenster, wo sich das Laub in alle erdenkliche Gelb-, Rot- und Brauntöne verfärbt, ehe es zu Boden fällt. Genau zu dieser Zeit präsentiert sich die Natur äusserst abwechslungsreich. Nur wenige Tage später liegt die ganze Pracht dann am Boden, und die Äste von Sträuchern und Bäumen ragen wie skelettierte Finger gen Himmel.


Nun, am Sonntag war das Laub noch zum grössten Teil an den Bäumen, und auch die Temperaturen bewegten sich in einem angenehmen Rahmen - einmal abgesehen von der frischen Brise, die mir oben in Brütten um die Ohren pfiff. Dafür entschädigte eine tolle Fernsicht für die Mühen des Aufstieges (die mit einem 17 Kilo schweren Bike mit nur neun Gängen beachtlich sind): Vom Säntis über die Churfirsten, die Glarner und die Innerschweizer Gipfel reichte der Blick bis zum Dreigestirn von Eiger. Mönch und Jungfrau - ein Hammerpanorama, das meine Cybershot leider nicht adäquat einzufangen vermochte (einfach anclicken, um das Panorama in voller Grösse präüsentiert zu bekommen).

Mit AC/DC’s «It’s a long way to the top (if you wanna Rock and Roll)» als musikalischer Untermalung ausm MP3-Player gings dann steil, rutschig und durchaus rasant hinunter zur Ziegelei Dättnau. Ein Blick hinaus auf den montäglichen Dauerregen sagt mir, dass die Entscheidung goldrichtig war, das schöne Wetter am Sonntag für eine kurze Ausfahrt zu nutzen.

Von Furien und austeilenden Mimosen

Eigentlich bin ich ein Fussball-Muffel – wenn, dann schau ich mir Champagner-Fussball von Teams wie Barcelona oder Arsenal an, aber nicht den Profi-Dilettantismus der Super League. Ein Vorfall vom vergangenen Wochenende ist aber dennoch einen kurzen Kommentar wert.


Im Grunde ist Fussball eine treffliche Metapher fürs reale Leben: Weil sich 22 erwachsene Menschen nicht über einen Modus einigen können, wer den Ball wie lange haben darf, wird gegrätscht, getreten, gezerrt und gespuckt. Und nicht zu vergessen: Lamentiert und simuliert. Angesichts des vorgelebten Verhaltens auf dem Platz sollte man sich denn auch nicht wirklich über das Fehlverhalten mancher Fans im und vor dem Stadion wundern.

Am vergangenen Samstag traf wieder einmal der FC Basel auf einen Zürcher Club – eine Affiche, die bisher meist zu Ausschreitungen zwischen den Anhängern der Vereine führte. Diesmal beschränkten sich die Aktionen, die man so lieber nicht sieht, auf den Platz: Denn insgesamt sahen drei Spieler zu recht die rote Karte. Und einer kam zu Unrecht davon. Dabei liess er sich das zu Schulden kommen, was in meinen Augen absolut inakzeptabel ist: Zuerst derbe austeilen, dann die Mimose heraus hängen, das ist voll der Totti-Style und charakterlich unterste Schublade.

Worum geht es? In der 59. Minute, nur zwei Minuten nach einem Platzverweis gegen GC, blieb Gonzalo Zarate nach einem Lauf am linken Flügel hängen – und grätschte dem Basler Verteidiger David Abraham beim Versuch, den bereits verlorenen Ball zurück zu erobern, voll in die Beine. Dabei traf Zarate mit voller Wucht und leider wohl auch nicht ohne Absicht das bereits verletzte Fussgelenk Abrahams (die fragliche Szene spielt sich im eingebetteten Clip von 3min50 bis 4min38 ab, die Bilder stammen von SF).

David Abraham, der nur dank schmerzstillenden Mitteln überhaupt spielen konnte, ging zuerst zu Boden, rappelte sich dann aber auf und rannte wutentbrannt auf Gonzalo Zarate zu - der Schiedrichter hatte Zarate's fiesen Tritt bemerkenswerterweise nicht als Foul abgepfiffen. Mit ausgestreckten Armen rempelte Abraham Zarate, der prompt wie vom Blitz getroffen zu Boden ging und sich auf selbigem wälzte. Laut den einen Zeitungen habe Abraham den Zarate «niedergeschlagen», laut dem Tages-Anzeiger habe «die Furie von St. Jakob-Park Zarate den Ellbogen ins Gesicht gerammt». Die Sicht des FCB-Vizepräsidenten Bernhard Heusler, wonach Abraham nicht geschlagen habe, hat dieser nicht «ziemlich exklusiv», da geh ich mit Heusler einig - es sei denn, Schubsen und Schlagen seien identisch. Oder gar ein «Ellbogen ins Gesicht rammen», wie durch die Zürcher Brille der Tagi-Fussballreporter.

Wer sich die Mühe macht, die Bilder genau zu studieren, der kommt zum Schluss: Klar hat Abraham unbeherrscht reagiert, und die rote Karte ging auch schon für seinen Rempler in Ordnung. Aber weder hat er den Simulanten und Treter Zarate niedergeschlagen, noch hat er ihm den Ellbogen ins Gesicht gerammt: Was Zarate da trifft, ist weder Faust noch Ellbogen, es ist die Armbeuge von Abraham. Und die muss offensichtlich ungemein hart sein, dass sich der Zarate danach wie ein Schwerstverwundeter am Boden wälzt.

Für mich steht fest: Zarate hätte mindestens Gelb verdient für sein missratenes Tackling gegen Abraham, und nochmals Gelb für sein mimosenhaftes Simulieren, nachdem er Momente zuvor noch den rücksichtslosen Holzfäller gemimt hatte. Es ist zu hoffen, dass Zarate für diese Aktion noch von der Disziplinarkommission der Liga zur Verantwortung gezogen wird – und dass diese Aktion auch bei der Bemessung der Sanktion gegen David Abraham nicht vergessen geht,

FAZIT: Die hochbezahlten Herren Fussballer haben wieder einmal gezeigt, dass sie nicht als Vorbilder taugen. Weder der unbeherrscht reagierende Abraham noch der zuerst fies reintretende und danach feige simulierende Zarate.