Samstag, 28. Juni 2008

Nidsi vo Magglinge uf Biel

Das zweite Kind ist da: Etwas mehr als ein Jahr nach dem «GurtenTrail» konnte der Verein Trailnet zur Eröffnung des «BielTrail» laden, der Magglingen mit Biel verbindet. Höchste Zeit für eine Würdigung.

Wenn ein Sport sich spezialisiert, steigen auch die Bedürfnisse an die Infrastruktur. Da macht auch der Bikesport keine Ausnahme: Während Tourenbiker mit dem bestehenden Wegnetz gut zurecht kommen, sieht es bei Freeridern und Downhillern etwas anders aus: Denn deren Räder sind bergauf wegen fehlender Gänge, grosser Federwege und der abfahrtsorientierten Sitzposition sehr limitiert, bergab hingegen kaum an ihre Grenzen zu bringen.

In den Bergen stehen schon verschiedene Bikeparks zur Verfügung, wobei die Region Portes du Soleil in Europa den Massstab setzt. Nirgends sonst gibt’s für eine Tageskarte so viele und vielfältige Strecken wie im Grenzgebiet zwischen Hochsavoyen und dem Kanton Wallis. Da man nicht ständig in die Berge fahren kann, werden auch näher liegende Ausflugshügel attraktiv, die mit einer Standseilbahn erschlossen sind: Da diese meist auch Fahrräder transportieren, ziehen sie viele Biker an, die ihre spezialisierten Räder nutzen möchten.
Ein Projekt von über 4 Jahren Dauer
So war es am Gurten am Stadtrand Berns, und so war es auch in Biel, wo eine Standseilbahn nach Magglingen hinauf führt. Die beiden Bieler Biker Noëmi Sandmeier und Patrick Christe, die sich bereits stark für den Dirtpark in Biel-Mett eingesetzt hatten, wollten daher eine richtige Strecke erstellen – und erfuhren davon, dass in Bern ein Verein gegründet worden sei, der genau dies am Gurten plane. Schnell waren Kontakte geknüpft, und als Folge entstand aus den Berner Bear Riders und den Bieler Torpedos der Verein Trailnet.

Auf der Zielgeraden: Der Flyer für die Eröffnung.

Anders als noch in Bern ging es diesmal aber nicht darum, eine ohne Ab- und Rücksprache erstellte Strecke zu legalisieren. Statt dessen wurde von Anfang an eng mit den Behörden von Stadt und Forst sowieso mit den Grundbesitzern zusammen gearbeitet, ehe der Bau in Angriff genommen wurde. Nach drei Jahren Projektphase konnte die eigentliche Ausführung im Sommer 2007 in Angriff genommen werden. Nach knapp einem Jahr Bauzeit, während der sich die Initianten auf die Hilfe zahlreicher Freiwilliger verlassen konnten, war es am 21. Juni dann so weit.

Vorne durchschneiden die Offiziellen das Band, hinten warten die Initianten Noëmi Sandmeier und Partick Christe schon auf ihren Bikes.

Schnippschnapp - und los gehts
Mit einigen (durch die leicht verspätete Ankunft des Autors) Minuten Verzögerung schritten Kuno Moser, der Oberförster der Burgergemeinde Biel, und Christophe Kneuss, Direktor der Verkehrsbetriebe Biel, um Viertel nach zehn Uhr morgens zum Durchschneiden des roten Bands, welches sich noch symbolisch über die Zufahrt zum «BielTrail» spannte. Einige Glückwünsche und Handschläge später machten sich dann die beiden Projektleiter Noëmi Sandmeier und Patrick Christe auf die erste offizielle Abfahrt auf dem «BielTrail».

Nach einem Apéro mit Offiziellen, Vereins- und Pressevertretern stand die Strecke dann ab 12 Uhr allen Interessierten (ausser Fussgängern, die zu ihrer eigenen Sicherheit auf der Strecke selbst nichts verloren haben) offen. Verschiedene lokale Bikeshops boten Testbikes von Herstellern wie Specialized, Commencal, Cannondale und Santa Cruz sowie Schutzausrüstung zum Ausleihen, und die Standseilbahn beförderte zur Feier des Tages die Biker gar gratis hinauf nach Magglingen.

Jetzt gehts los: Dieser kleine Absatz führt in eine knifflig-felsige Sektion.
(Bild: Michael Suter / frontlinemag.net)

Kniffliger und ruppiger als am Gurten
So fanden sich im Verlauf des Nachmittags mehr als 50 Bikerinnen und Biker ein, um dem neuen Trail auf den Zahn zu fühlen. Und die Reaktionen waren durchs Band positiv: Den Erbauern ist es gelungen, eine stellenweise ruppige und knifflige Strecke hinzustellen, die aber dennoch mit Flow zu fahren ist. Das erklärte Ziel, eine technisch anspruchsvollere und naturbelassenere Strecke zu bauen wie am Gurten, konnte mit dem «BielTrail» auf jeden Fall erreicht werden.

Nochmals volle Konzentration, denn nach diesen Stufen gehts scharf ums Eck - dafür hat man dann die felsige Sektion (siehe "Crash Test Dummie"-Postings) überstanden.

Für alle, die bei der Erstellung des «BielTrails» mit angepackt haben, hatte Trailnet bei der Eröffnung übrigens noch eine nette, kleine Überraschung vorbereitet: Als limitiertes Dankeschön für die freiwillige Mitarbeit gab es ein T-Shirt mit einem Emblem, welches das Motto des Vereins knapp und passend auf den Punkt bringt: Ein Bär steht mit Schaufel im Grünen, darunter der Spruch «Dig – Shape - Ride». So soll es sein – und weiter gehen.


Neben dem Bieler Tagblatt als lokaler Zeitung war die Eröffnung der Strecke auch der Gratiszeitung 20min einen Artikel wert. Dass die Benutzer des «BielTrails» in letzterer als Freestyler bezeichnet werden, entlockt Kennern ein Schmunzeln. Dass das Frontline Magazine dank der Bebilderung des Artikels in dieser auflagenstärksten Gratiszeitung der Schweiz erwähnt wurde, ist dafür umso erfreulicher.

Freitag, 27. Juni 2008

(Crash Test) Dummie II: United Colors of Pain

Dank Schutzausrüstung und sehr viel Glück scheine ich mir beim harten Abgang in Biel nur Prellungen geholt zu haben – was an meiner Hüfte nun zu einem schillernden Farbenspiel führt.

Der Volksmund spricht bei Prellungen gerne von «blauen Flecken». Aber das wird der Realität nur partiell gerecht. Klar, irgendwann sieht so ein Hämatom, wie Blutungsereignisse im subkutanen Bereich auch genannt werden, auch mal blau aus. Aber davor und danach durchgeht es verschiedene Stadien, in denen es wie ein Chamäleon (bei diesem Stichwort muss ich unwillkürlich an Woody Allen’s Film «Zelig» denken, in dem sich die Hauptfigur aus einem übersteigerten Konformitätsdenken heraus jeweils auf beängstigende Weise an seine Umwelt anzupassen vermag) seine Farbe wechselt.

Grau ist die Theorie...
Die Quelle allen Wissens im Web, auch Wikipedia genannt, vermeldet zu diesem Farbzyklus folgendes:

Die Phasen sind folgendermaßen zu erklären:
Rot: die kleinen Gefäße (Kapillare) platzen auf und das Blut (rot durch Hämoglobin) tritt ins Gewebe
Dunkelrot-Blau: das Blut gerinnt
Braun-Schwarz: enzymatischer Abbau des Hämoglobins zu Choleglobin/Verdoglobin (Gallenfarbstoff)
Dunkelgrün: enzymatischer Abbau des Hämoglobins zu Biliverdin (Gallenfarbstoff)
Gelb-Braun: enzymatischer Abbau des Hämoglobins zu Bilirubin (Gallenfarbstoff).
... und farbig schillert das Hämatom
Dann wollen wir mal gucken, ob sich das so in der Empirie bestätigen lässt: Am ersten Tag nach meinem Abgang war im Hüftbereich kaum etwas zu erkennen – einmal abgesehen von zwei kleinen Hautabschürfungen und der imposanten Schwellung – zu 50% weiss ich nun, wie sich Jennifer Lopez mit ihrem überdimensionierten Hintern fühlen muss.
Ausladend, aber nur rechts: Meine Pobacke am Tag nach dem Abgang.

Zwei Tage später zeigte sich dann das Hämatom als rot gesprenkelter Fleck auf dem rechten Hüftknochen. (1)

Phase Rot: Das Farbenspiel beginnt am dritten Tag nach meinem Abgang.

Nochmals einen Tag später war die Färbung schon markant dünkler, mit einem leichten Trend Richtung violett. (2)

Aus Rot wird Violett: Tag 4 nach dem Sturz.

Am vierten Tag bildete sich rund um den sich immer dunkler verfärbenden Haupteinschlag ein gelblicher Ring – ein erstes Anzeichen für ein Abklingen der Prellung.

Phase Gelb signalisiert den Anfang vom Ende des Farbenspiels.

Heute zieht sich dieser Ring vom rechten Hüftknochen bis zum Steissbein – genau die Zone des Einschlags (auch «Switch Arschbombe» genannt) vom vergangenen Samstag.

So siehts heute aus - meine Bewegungsfreiheit ist kaum noch eingeschränkt.

Da ich seither an vier Tagen auf verschiedensten Bikes gesessen habe – am Montag und Dienstag im italienischen Livigno auf 2009er-Modellen von GT, am Mittwoch und Donnerstag dann in Warth am Arlberg auf den nächstjährigen Rädern von Simplon, nehme ich nicht an, dass ich mir irgend was ernsthaftes angetan habe bei besagtem Abflug.

Nochmals ein Hoch auf die Protektoren
Daher noch einmal ein Hoch auf die Hersteller von Schutzausrüstung für irre Biker: Auf die Trägerhose von Dainese und das «Assault Jacket» von iXS Sports Division. Diese beiden Teile haben mich wohl vor einem Aufenthalt in einem Krankenhaus bewahrt.

Ach ja: Ein Berufskollege meinte beim Anblick meiner Hüfte, dass das aber ein ausgefallener Ort für einen Knutschfleck sei. Worauf ich ihm entgegnete, dass die Dame meines Herzens nun einmal mit extremer Weitsichtigkeit zu kämpfen habe und ihre Leserbrille nicht immer anbehalten könne…

Sonntag, 22. Juni 2008

(Crash Test) Dummie

Gestern Samstag wurde der «BielTrail» bei bestem Wetter offiziell eröffnet: Die vom Verein Trailnet eigens für Biker erstellte Downhill-Strecke verbindet Magglingen mit Biel – und hat es in sich.

Aber schön der Reihe nach: Am Samstag Morgen wurde ich um 8 Uhr früh von Michael Suter abgeholt, der am «BielTrail»-Eröffnungstag für saubere Actionbilder zuständig war. Auf dem Weg quer durchs Mittelland nach Biel machten wir noch einen Abstecher in Hinterland, um bei Andreas Willimann in Aetigkofen ein Testbike in Empfang zu nehmen: Das «Mission 9» des deutschen Produzenten Solid war uns bereits an der Eurobike im vergangenen Herbst aufgefallen, nun war es an der Zeit, dieses Bike in seinem angestammten Einsatzgebiet einmal tüchtig durchzukneten, um Praxiseindrücke zu sammeln.

Testobjekt Nummer 1: Das «Mission 9» von Solid.

Am Tag vor der Eröffnung hatte mir die Paketpost zudem ein «Assault Jacket» von iXS Sports Division zugestellt: Dieses sollte auf Funktion, Tragekomfort und Passform getestet werden, und was eignet sich dazu besser als ein heisser Sommertag auf einer neu erstellten Downhill-Strecke? Die ersten vier Fahrten verliefen denn auch ohne Probleme: Suti machte zusammen mit den Jungs vom «180 Shop»-Rennteam spektakuläre Action-Bilder, und auch ich huschte einige Male an Bord des «Mission 9» vor seiner Linse durch.

Krone der Schöpfung oder tumbes Gewohnheitstier?
Zum Verhängnis wurde mir dann die fünfte Abfahrt. Oder genauer die Tatsache, dass der Mensch theoretisch zwar ungemein anpassungsfähig, im Notfall aber ein tumbes Gewohnheitstier ist. Denn für diese Abfahrt hatte ich das Testradl von Solid einem Kumpel gegeben und mir statt dessen sein Bike gekrallt. Dass er bezüglich der Einstellung der Bremsen, besonders des Druckpunkts, einer komplett anderen Philosophie folgt als ich (der Druckpunkt liegt bei meinen Bikes jeweils weit vom Lenker weg, bei seinem hingegen fast ganz am Lenker), hielt ich für unproblematisch – und verzichtete darauf, an seinen persönlichen Einstellung für eine einzige Abfahrt Änderungen vorzunehmen.


Bodyguard zum Anziehen - oder 160 Euro, die einem das Krankenhaus ersparen.

Das ungewohnte Set-Up der Bremsen war auch unproblematisch, bis das Geläuf erstmals so richtig ruppig wurde und ich nach einem kleinen Vertikalabsatz – für mein Gefühl – beim Bremsen komplett ins Leere griff: Keinerlei Verzögerung, dafür steiles Gelände, fiese Felsen und kein Ausweg, der schmerzlos erschien. Meine Entscheidung, die Route zu verlassen und im Dickicht zum Stillstand zu kommen, erwies sich als suboptimal: Kaum dass ich vom Weg abgekommen und denkbar knapp an einem Baum vorbei gesirrt war, hebelte es mich aus dem Sattel.

Wenn Momente ewig dauern
Für eine gefühlte Ewigkeit hing ich in der Luft, gefasst auf den zweifellos schmerzhaften Aufprall – Schutzausrüstung hin oder her. Da ich bei meiner Arschbombe rücklings in die Felsen genau mit einer Stelle einschlug, die nicht durch Polster geschützt ist, dürfte Mr. Murphy und seinem Gesetz zu verdanken sein. Ausgesehen haben muss die Aktion ziemlich fies: Zwei Biker, die an besagter Stelle kurz angehalten und damit einen Logenplatz hatten, um meinen Abgang zu verfolgen, waren sofort zur Stelle und fragten besorgt, wie es mir gehe und ob sie einen Krankenwagen rufen müssten.


Helm und Handschuhe, Knie-/Schienbeinschützer sowie der Oberkörper-Schutz - nicht im Bild die Goggles und die Dainese-Trägerhose mit Polstern für Hüftknochen und Oberschenkel.

Während dessen konstatierte ich, dass sich von der Hüfte aus ein stechender Schmerz seinen Weg in Richtung Oberschenkel und Rücken bahnte – und vor allem, dass ich keine Luft bekam. Nach etwa einer Minute, in der ich abwechselnd nach Luft schnappte, vor Schmerzen stöhnte und derbe fluchte, rappelte ich mich wieder auf, krallte mir das fast unbeschädigte Bike vom Kumpel und rollte in der Folge vorsichtig den Berg runter - na ja, zwei Sprünge hab ich aus Gewohnheit trotzdem mitgenommen. Bei der Talstation des Funic angekommen, entledigte ich mich der Schutzausrüstung, desinfizierte einige Wunden und inspizierte den Schaden – im Bewusstsein, dass der schlimmste Moment beim Aufwachen am kommenden Morgen noch kommen sollte.

Gestatten? Bluterguss, wachsend...
Inzwischen ist dieser Moment überstanden (muskuläre Prellungen tun erst dann höllisch weh, wenn die Muskulatur nicht mehr auf Betriebstemperatur ist und man sich eine ganze Weile nicht oder kaum bewegt hat), und der Übergang von der Hüfte zum unteren Rücken beginnt sich langsam einzufärben – noch in einem dezenten Dunkelrot, das dann über Blau ins Gelbliche verfärben wird. Aber die Schwellung ist im Vergleich zum Vorabend, als meine rechte Arschbacke derjenigen von Jennifer Lopez glich, bereits deutlich zurück gegangen. Vor allem ist das taube Gefühl in der rechten Wade, wohl durch eine Überstreckung des Beins beim Aufprall ausgelöst, wieder weg, was mich beruhigt.

Noch ists bloss eine grossflächige Hüftprellung - die Farben folgen in der kommenden Woche.

Genauso wie die Tatsache, dass bei diesem wüsten Abgang weder Knochen noch innere Organe zu Schaden gekommen sind. Denn morgen geht’s weiter nach Livigno, wo GT ein neues Downhill-Bike vorstellt. Mal schauen, wie es dann mit der Bewegungsfreiheit steht. Ohne die ganze Schutzausrüstung hätte mich dieser Sturz wohl ins Krankenhaus gebracht – so aber kann ich bereits am ersten Tag des Testens auf einen echten Ernstfall verweisen.

Lehren aus der Geschichte?
Für die Zukunft weiss ich, dass ich mir die lumpigen zwei Minuten Zeit nehmen werde, um den Druckpunkt der Bremsen an meine Gewohnheiten anzupassen. Denn wenn’s hart auf hart kommt, ist der Mensch nun einmal ein ganz sturer Esel, ein unflexibles Gewohnheitstier jenseits aller Ansprüche, die Krone der Schöpfung zu sein. Eine Erkenntnis, die ich seit gestern mit einigen Schmerzen und vorübergehend eingeschränkter Beweglichkeit bezahle.

Freitag, 13. Juni 2008

Rechthaberische Intriganten

Der Radsport steckt weiter in der Krise – nicht zuletzt, weil zu grosse Egos einer einvernehmlichen Lösung im Wege stehen. Ein Bestandesaufnahme einen Monat vor der Tour de France.

Zwei Jahre nach dem Auffliegen des Blutpanscher-Rings um den spanischen Gynäkologen Eufemiano Fuentes und ein Jahr, nachdem sich der kasachische Staats-Rennstall Astana durch die positiven Doping-Tests der beiden Teamleader Vinokourov und Kasheshkin bis auf die Knochen blamiert hatte, kommt der Profi-Radsport nicht aus dem Jammertal heraus. Das liegt nicht so sehr an weiteren Doping-Enthüllungen (in dieser Hinsicht haben sich alle Beteiligten redlich Mühe gegeben, um weitere Skandale zu vermeiden – vor allem durch Wegsehen), sondern an Funktionären, die statt des ihnen anvertrauten Sports nur ihr Ego im Auge haben.

Mr. My way or Highway: Pat McQuaid - oder Mad PacQuaid?

Bereits vor der Fernfahrt Paris-Nizza hatte UCI-Präsident Pat McQuaid (aus als «Pat ohne Land und Verstand» bekannt) schweres Geschütz aufgefahren: Weil der Rennveranstalter ASO (Amaury Sports Organisation) sich dazu entschlossen hatte, dieses Rennen unter dem Patronat des französischen Radsport-Verbandes FFC und nicht unter demjenigen der UCI durchzuführen, drohte McQuaid den teilnehmenden Rennställen wie den Fahrern mit ernstzunehmenden Sanktionen. Diese Drohung entbehrte nicht einer gewissen Ironie, denn eben dieser Ir(r)e McQuaid hatte Ende der 70er Jahre ganz bewusst gegen Sanktionsbeschlüsse verstossen – und in den dunkelsten Jahren der Apartheid in Südafrika an Radrennen teilgenommen. Shame on you, Pat!

In keiner beneidenswerten Situation: Eric Boyer, Präsident der Vereinigung AIGCP

Doch McQuaids Drohungen fanden kein Gehör: Die Organisation der professionellen Rennställe (AIGCP) unter ihrem Präsidenten Eric Boyer sprach sich für eine Teilnahme an Paris-Nizza aus. Strafen gegen die startenden Fahrer wurden bis heute nicht ausgesprochen. Auch die Drohung, französische Radsportler von den Olympischen Spielen in Peking auszuschliessen, erwies sich als nicht durchsetzbar. McQuaid stand als Schwätzer da, der Gräben mutwillig vertieft hatte und dessen Wort keinen Cent wert ist. Zudem schlug er ein Vermittlungsangebot des neuen französischen Staatssekretärs für Sport Bernard Laporte aus: Was für eine Frechheit, dass sich ein Politiker in «seinen» Radsport einzumischen wagte, und noch dazu ein Franzose! Laut McQuaid brauchte es keinen Vermittler, sondern Loyalität und Gehorsam.

Wollte, aber durfte nicht vermitteln: Frankreichs Sportminister Bernard Laporte.

Der Konflikt zwischen der UCI und der ASO schwelte weiter, und Pat McQuaid verpasste keine Gelegenheit, um einige Schippen nachzulegen. So forderte er das Team Astana und Alberto Contador öffentlich auf, das Startrecht an der Tour de France vor dem internationalen Sportgericht CAS zu erzwingen – die UCI werde zu Gunsten Astana’s aussagen. Etwas später reichte Hein Verbruggen, der mittlerweile einen Sitz im IOC innehat und bei der UCI über seine Marionette McQuaid noch immer die Strippen zieht, als Privatperson eine Verleumdungsklage gegen den zurückgetretenen WADA-Chef Dick Pound ein. Dieser hatte während seiner Amtszeit die Untätigkeit der UCI im Kampf gegen Doping wiederholt scharf und offen (und zurecht) kritisiert.

Zieht weiterhin im Hintergrund die Strippen: Hein Verbruggen, Sportfunktionär von Beruf.

Als ob die Situation noch nicht verfahren genug wäre, hat die UCI weniger als einen Monat vor dem Start der Tour de France nun nochmals eine Umdrehung auf die Eskalationsschraube gegeben: Anlässlich einer Sitzung des «UCI Management Committees» brachte McQuaid den Antrag ein, die Mitgliedschaft des französischen Verbandes und all seiner Vertreter in sämtlichen Gremien der UCI bis Jahresende auf Eis zu legen. So eskaliert der Konflikt zwischen dem Weltradsportverband und dem wichtigsten Rennorganisator weiter , und die entscheidenden Gremien der UCI werden auf Linie gebracht.

Ungeliebter Störfaktor: Dick Pound, ehemaliger WADA-Präsident.
Mit Binnenpluralismus und dem Gedanken der demokratischen Mitsprache hat das alles nichts zu tun. Aber solche hehren Prinzipien haben in Sportverbänden ja auch nicht zu suchen. Wie diese Posse weiter geht, bleibt abzuwarten: Denn im Zuge des Skandals um den positiven Kokaintest bei Weltmeister Tom Boonen hat die UCI mit der Tour de Suisse auch einen Rennveranstalter vor den Kopf gestossen, der bisher stramm auf Seiten der UCI stand. Und während sich der Giro-Organisator RCS aus Opportunismus dazu entschloss, das Team Astana auf den letzten Drücker doch noch einzuladen, hat sich die ASO 49 Prozent der Anteile am Vuelta-Organisator UniPublic gesichert – und somit die eigene Position noch einmal gestärkt.

Wie weiter im Profi-Radsport?
Derweil werkelt die UCI fleissig an kleinen Rennen draussen in der Pampa, die mit dem Pro-Tour-Status geadelt werden. Und deren Termine sich rein zufällig mit denjenigen der grossen Landesrundfahrten überschneiden: Vom «GP Sotchi» in Russland über die «Presidential Tour of Turkey» bis zur erst als Projekt herum geisternden «China-Rundfahrt» reicht die Palette an Retorten-Anlässen, mit deren Hilfe die UCI den Radsport vordergründig globalisieren will. In Tat und Wahrheit geht es der UCI vor allem darum, ungenehme Verbände in den klassischen Radsportnationen in die Schranken zu verweisen – und sich statt dessen neue Mehrheiten in den massgeblichen Gremien zusammen zu basteln, gestützt auf Länder, in denen der Radsport weder über eine gewachsene Tradition noch über eine starke Lobby verfügt.

Ob dies für eine nachhaltige Entwicklung des Radsports Sinn macht, darf bezweifelt werden. Tatsache ist, dass die Herren McQuaid und Verbruggen bereits eine Unmenge an Geschirr mutwillig zerschlagen haben. Und dass mit diesen beiden eine einvernehmliche Lösung im Interesse des Sports nicht zu haben ist. Nicht, wenn dafür ihr Ego zurück stehen muss.

Wie wird es weiter gehen? Da keine Einigung in Sicht ist, dürfte es zu einer Zweiteilung des Radsports kommen. Auf der einen Seite die von der UCI protegierten Rennen, die keinen Hund hinterm Ofen hervor locken, aber sich mit dem ProTour-Status schmücken können. Und auf der anderen Seite die Monumente des Radsports, welche Jahr für Jahr die höchsten Einschaltquoten erzielen. Dafür spricht, dass im Moment ein Teil der ProTour-Equipen aus der Vereinigung AIGCP austritt – und sich somit offen gegen jegliche Bemühungen um eine Gesundung des Profi-Radsports stellen.

Gestatten? Piti, der berühmteste Hund des Radsports (links) und sein Herrchen, Alejandro Valverde. Letzterer ist auch als "Beutel 18" oder "valv./piti" bekannt und gehört gesperrt.

Zu den ausgetretenen Mannschaften zählen bis dato Caisse d’Epargne (mit diversen mutmasslichen Fuentes-Fahrern wie Alejandro Valverde an Bord), Astana, Milram, Liquigas, Saunier Duval und QuickStep. Der Umgang dieser Teams mit überführten Dopern (sei es als Teil der eigenen Mannschaft oder als zu verpflichtende Leistungsträger, etwa im Falle Ivan Bassos) lässt tief blicken – und konstatieren, dass diesen Teams die bisherigen Standards der Dopingbekämpfung nicht zu lasch, sondern zu strikt sein dürften. Die Verantwortlichen zeigen aufgeregt auf die kleineren ProConti-Equipen – und wollen doch nur eines: Auch so selten kontrolliert werden wie diese.

Eines sollte allen Beteiligten an dieser unendlichen Geschichte klar sein: Die Rennen der Radprofis sind Medien-Events. Die Sponsoren der Teams wollen Screentime für ihre Trikots. Also fliesst das Geld dorthin, wo die Chance auf eine medial möglichst umfassende Abdeckung am grössten ist. Und das sind nun einmal Rennen wie die Frühjahrsklassiker (Paris-Roubaix und Lüttich-Bastogne-Lüttich wären als die bekanntesten zu nennen) und die Tour de France. Und nicht Retorten-Anlässe wie der GP Sotchi oder die «Presidential Tour of Turkey».

In diesem Sinne: Wake up, Pat, before it’s too late. Oder um es mit den Beatles zu sagen: Let it be, Pat!

Montag, 9. Juni 2008

My Design District - Tubben in Lausanne

Zum dritten Mal war mein Bruder mit den Dutchtub-Wannen zu einem Event der Agentur My Playground an den Gestaden des Genfersees geladen. Und diesmal war auch ein Bakfiets am Start.


Mit ihren Events bietet die Agentur My Playground jungen Kreativen einmal im Jahr die Gelegenheit zum Kontakt mit einer design-affinen Kundschaft. 2006 fand der Event im Château de l’Ail im Herzen von Vevey statt, 2007 im Grand Hôtel du Lac, ebenfalls in Vevey. Dieses Jahr war nun Lausanne an der Reihe, genauer das Flon-Quartier. Einst ein von schrägen Vögeln bevölkertes Mahnmal des industriellen Niedergangs, hat sich dieses Quartier dramatisch verändert – wobei Veränderung die eigentliche Konstante im Flon-Quartier ist.

Zuerst hielten anfangs der Neunziger Jahre eine Vielzahl von Kreativen Einzug, die von den günstigen Mieten in den alten Industriegebäuden profitierten. Auch «Unik Records» betrieb hier ein Tonstudio, in dem einige Meilensteine des frankophon-schweizerischen Hiphops entstanden – namentlich von Sens Unik. Es folgten Immobilien-Haie und danach die Boutiquen bekannter Labels. Die Mieten stiegen so rasch, wie die schrägen Vögel und Alternativen abwanderten. Ironischerweise bietet ausgerechnet die Website eines der Hauptakteure dieses Wandels hin zu einer kommerziellen Nutzung, der LO Holding, einen interessanten und illustrierten Abriss der Geschichte dieses zentral gelegenen Quartiers von Lausanne.

Die Rückkehr der Kreativen - für ein langes Wochenende
Für ein verlängertes Wochenende hielten die jungen Kreativen noch einmal Einzug in das Flon-Quartier, inmitten des neu entstandenen Nightlifes. Und an den ersten beiden Tagen waren diejenigen Aussteller, die ein Dach überm Kopf hatten, deutlich besser dran. Denn am Donnerstag wie am Freitag regnete es oft und ausgiebig, so dass nur wenige Interessenten den Weg zu Badewannen und Transporträdern fanden. Dafür hatten mein Bruder und ich etwas mehr Zeit, um die neusten Kreationen unter die Lupe zu nehmen. Dabei sind mir einige Produkte und Entwürfe besonders aufgefallen.
Es werde Licht
Etwa die Beleuchtungs-Serie «Tetanos» des Freiburgers Boris Dennler, der ausrangierte Teile einer neuen Verwendung zuführt. Recycling meets Design, egal obs um eine Nierenwanne, einen Fahrrad-Scheinwerfer, den Kapitänsstuhl eines kleinen Schiffs oder um das Gitter eines V8-Vergasers geht.
Auch ein Augenzwinkern und eine guten Portion Wortwitz kommen nicht zu kurz, etwa bei der Installation «Livresse»: Die Glühlampe versteckt sich hinter einem geöffneten Buch, so dass es aussieht, als ob die Wand selbst in der Lektüre versunken sei.

Im Wort «Livresse» verstecken sich zudem «Livre» (Buch) wie auch das Wort «l’ivresse» (Rausch, Trunkenheit) – ein nettes, kleines Wortspiel.

Das Label Kikk zeigte eigenwillige Mischkonzepte zwischen Beleuchtung und Wanddekoration – etwa dieses blutrote Hackebeil, das sich auch im Chefbüro einer Gross-Schlachterei gut machen würde. Oder im Schlafzimmer Jeffrey Dahmers unseligen Angedenks...

Am Stand der Genfer Kinder-Boutique Mimito waren nicht nur aufwändig gefertigte Möbel und Kleider aus feinen Stoffen für die Kleinsten zu sehen, sondern auch ein etwas anderes Kuscheltier:
Grossartig, ein gestrickter Kuschel-Krake, so schräge Ideen gefallen mir. Und den Kleinsten ist der taktile Eindruck bei einem Kuscheltier ohnehin wichtiger als die Optik. Im Klartext: Entscheidend ist, wie es sich anfühlt, nicht wie es aussieht.

Endlich kam die Sonne raus...
Zum Glück besann sich Petrus fürs Wochenende eines besseren: Am Samstag liess der Regen schon bald nach, und am Nachmittag zeigte sich sogar für eine Weile die Sonne. Dadurch stieg die Anzahl der Besucher bei den Ausstellern auf dem Freigelände sprunghaft an. So bekamen auch die Eternit-Gartenmöbel sowie die Qrater-Feuerschalen des Belgiers Dirk Wynants, welche das Lausanner Einrichtungsgeschäft Batiplus ausstellte, endlich die gebührende Aufmerksamkeit.
Ebenfalls im Freien wurde der «WiFi Desk» ausgestellt, den Singal Mösch für das Label Hors Séries entworfen hat. Bereits an den verregneten beiden Tagen waren uns diese Teile ins Auge gestochen – und mir war schnell klar, wozu sie gut sein sollten: Es handelt sich um Freiluft-Workstations für Leute mit Laptop. In Zeiten kosten- wie drahtloser Netzwerke und WLAN-Hotspots keine dumme Sache. Weil Sonnenschein und Laptop-Screens sich so gut vertragen wie deutsche und polnische Fussball-Fans, lässt sich das ganze Teil auf dem Sockel drehen.


Das schöne Wetter hatte auch am St(r)and von Double Dutch seine Folgen: Statt uns auf dem durchnässten Sandboden die Zehen einzuweichen und die Schuhe zu ruinieren (wie am Donnerstag und Freitag), quasselten wir uns plötzlich den Mund fusslig, um die Funktionsweise und Vorzüge des Dutchtubs und des Bakfiets zu erklären – und das grösstenteils auf Französisch. Ganz schön anstrengend, weil man immer mal wieder nach Worten ringt.
Die wenigen Interessenten, welche einen zwischendurch auch einmal auf Holländisch, Englisch oder Deutsch ansprachen, waren da umso willkommener. Wie diese junge Mutter aus den Niederlanden, welche ihre beiden Kinder kurzentschlossen für eine Proberunde in den Bakfiets setzte und danach genauso begeistert war wie ihre Kleinen.

Wenn Klischees wanken: Keine Spontanbader in der Romandie
Auch rund um den Dutchtub war am Samstag und Sonntag ständig Hochbetrieb – besonders, wenn sich ein Showbader in der Wanne räkelte. Leider waren kaum Besucher der Ausstellung so spontan, um sich selbst ein Bad zu gönnen. Und das, obwohl mein Bruder noch eilends drei Bikinis und drei Badehosen gekauft hatte (die ganze Box mit den Badekleidern und Frottiertüchern war in der Ostschweiz vergessen gegangen) und die Umkleidekabine bereit stand.

Darum blieb auch der hochwertige Schampus von Veuve Cliquot, der am Sonntag gar eisgekühlt auf die erste Spontan-Baderin wartete, ungeöffnet. Denn mein Helfer Timo und ich begnügten uns mit einem weit proletarischeren Getränk, allgemein auch als Bier bekannt. Ich begnügte mich mit einem kleinen Bier, da ich schliesslich noch den Mietwagen mit Anhänger, Badewanne und allem Gepäck zurück in die Ostschweiz chauffrieren musste.

Der inoffizielle Fahrplan: Messe-Schluss 18 Uhr, Lausanne ab 19:20, Bern an 20:45, Bern ab 20:55 Uhr (Timo abgesetzt, Diesel zum Läng-Gangbang-Sparpreis getankt), Frauenfeld an 23 Uhr (Anhänger abkuppeln, Mietwagen leer räumen und volltanken), Mietwagen in Felben abgeben 23:45 Uhr, letzter Zug nach Winterthur um 0:11 Uhr, wieder zu Hause um 0:40 Uhr. Es waren wahrlich lange Tage... und auf dem Bakfiets kann man auch blitzschnell unterwegs sein - wenn es denn sein muss.

Mittwoch, 4. Juni 2008

Von Mollies, Velos und anderen Wurfgegenständen

Die bevorstehende Fussball-EM zieht immer weitere Kreise. In Klagenfurt werden nun sogar Fahrräder vom Stadtgebiet verbannt, weil sie von Hooligans als Wurfgeschosse missbraucht werden könnten. What’s next?

Die Hauptstadt Kärntens stand noch nie unter dem Generalverdacht progressiven Denkens. Was nun aber Bürgermeister Harald Scheucher für die Dauer der Fussball-EM entschieden hat, bestätigt sämtliche Vorurteile, wie sie im Rahmen von Österreicher-Witzen in der Schweiz oft und nur zu gerne kultiviert werden. Weil Fahrräder von Chaoten als Wurfgegenstände missbraucht werden könnten, werden für die Dauer der EM alle Velos vom Klagenfurter Stadtgebiet verbannt, meldet heute die dpa.

Randale in vollem Gange? Oder doch nur Velokuriere beim rituellen Bike Toss?


Dass Fahrräder unversehens zu Wurfgegenständen mutieren, kennt man sonst eigentlich nur vom rituellen Radlwerfen bei Events der Fahrradkuriere. Oder von entnervten Radprofis wie Bjarne Riis (Tour 1997), Riccardo Ricco (Tirreno-Adriatico 2008) und David Millar (Giro 2008). Eine erste Frage drängt sich auf: Warum verbannt man die Velos vom Stadtgebiet und nicht die Chaoten? Weil Velos in den Kneipen nicht konsumieren?

Fahrräder raus, Autos her!
Zur gleichen Zeit offeriert Klagenfurt allen EM-Gästen Gratis-Parkplätze für ihren Spritfresser – diese beiden Massnahmen, scheinbar voneinander unabhängig, offenbaren eine benzingesteuerte Denksklerose beim Herrn Bürgermeister. Denn auch Autos können, einmal aufs Dach gedreht und angezündet, den Chaoten in Strassenkämpfen von grossem Nutzen sein. Also: Autos raus aus Klagenfurt!


Kein fliegendes Velo, sondern ein brennendes Auto - wohl auch noch umsonst parkiert, was?

Ganz zu schweigen von Motorrollern: Das sind ja eigentlich nichts anderes als rollende Reservekanister zur Mollie-Fabrikation, in farbigen Plastik gepackt. Also: Roller raus! Was könnte man denn noch verbieten? Wie wärs mit Krücken und Gehhilfen von Senioren, die zweifellos ebenfalls als Schlaginstrumente missbraucht werden könnten? Ein guter Grund, alle auf solche Gehhilfen angewiesenen Senioren Klagenfurts für die Dauer der EM unter Hausarrest zu stellen.

Schützt Klagenfurt vor drängenden Gefahren wie fliegenden Velos:
Bürgermeister Harald Scheucher

Klagenfurt als Hochsicherheitstrakt?
Zudem empfehle ich dem Herrn Harald Scheucher dringend, alle gepflästerten Plätze auf Stadtgebiet schleunigst einer Notasphaltierung zu unterziehen. Nicht, dass sich die Chaoten dort mit Pflastersteinen eindecken können. Und auch das Mobiliar von Biergärten und dergleichen muss niet- und nagelfest fixiert werden, sonst schnappen es sich die Hooligans, um sich damit auf die Fresse zu geben. Dass Glasflaschen dann genauso zu verschwinden haben wie Trinkgläser, versteht sich von selbst. Plastikbecher müssen reichen, basta!

Munition bis zum Abwinken: Das geschulte Auge erkennt eine Menge
potentieller Wurfgegenstände - aber kein einziges Fahrrad.

Am einfachsten wäre es wohl, ganz Klagenfurt zu räumen und die Stadt den Hooligans für die Dauer der EM zu überlassen (da Jörgl Haider in Kärnten seit Jahren den Landeshauptmann gibt, hat man sich daselbst wohl schon längst an Polit-Hooligans gewöhnt). Was danach noch steht, kann man renovieren. Und die Sache im übrigen als eine Chance für einen städtebaulichen Neuanfang betrachten. Dem Herrn Scheucher wünsch ich derweil viel Vergnügen.

Montag, 2. Juni 2008

Neinsager – mal anders

Seit über 20 Jahren bekämpft die SVP blocherscher Prägung alles, was nach Moderne und Öffnung riecht. Doch Don Quichote wurde abgewählt, Sancho Pansa findet den Tritt nicht, und Rosinante ist müde. Ein Hoch auf die Windmühlen.

Das Diktum von den Schweizerinnen und Schweizern als Volk von Nein-Sagern hängt den Bewohnern der Alpenrepublik seit den 90er Jahren an: 1986 wurde der Beitritt in die UNO vom Volk abgelehnt, 1992 scheiterte der EWR-Beitritt äusserst knapp an der Urne, 1994 dann die Blauhelm-Vorlage. Die Schweiz positionierte sich nach dem Ende des Kalten Krieges als autistisch-egoistisches Gebilde mitten auf dem Kontinent. Eine Insel der Besserwisser und Selbstgerechten, die sich zusehends abschottete. Bitte nicht stören, wir sind uns selbst genug.

Diese Umstände (wie auch eine Krise im privaten Bereich) machte es mir umso einfacher, mich von 1996 bis 1998 in Richtung Niederlande zu verabschieden und die Schweiz für eine Weile Schweiz sein zu lassen. In den zehn Jahren seither ist eine Menge passiert. Die SVP absorbierte den gesamten rechten Rand des politischen Spektrums, einen zusehends unanständigen Ton gegenüber Andersdenkenden anschlagend. Zuerst ging es nur gegen Linke (auf Plakaten vorzugsweise als rote Ratten oder Filzläuse dargestellt) und Nette, dann gegen Weichsinnige und Halbbundesräte. Und immer gegen die schwächsten in der Gesellschaft: Arbeitslose, Ausgesteuerte, Abhängige, Ausländer, Asylsuchende, Invalide, die Liste ist lang und wurde immer länger.

Ausgrenzung als Erfolgsrezept
Dass dieses Problemverhalten vom Wahlvolk lange mit steigenden Stimmanteilen honoriert wurde, gab umso mehr zu denken. Die SVP schien von Sieg zu Sieg zu eilen, ihr «Führer» Christoph Blocher zog in den Bundesrat ein und machte sich daran, aus dem modernen Sozialstaat von der Exekutive aus Gurkensalat zu machen – oder im Falle der SVP wohl eher Wurstsalat (da wurstig und mit Braunstich). Mit der Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat kam die Wende: Der mutige Befreiungsschlag des Parlamentes gegen einen sich immer eigenmächtiger gebärdenden Politiker brauchte aber Zeit, um seine volle Wirkung zu entfalten.

Tritt in (zu) grosse Fussstapfen: Toni Brunner, Bauer und Subventionsempfänger.

Zunächst schien bei verschiedenen Wahlen im Frühjahr 2008, etwa in den Kantonen St.Gallen und Neuenburg, der Siegeszug der SVP weiter zu gehen – und zwar auf Kosten der beiden Parteien, die als die beiden «Hauptschuldigen» am Sturz des Sonnenkönigs von Feldmeilen gesehen (und von einem DOK-Film des Schweizer Fernsehens als solche bezeichnet) wurden: Der CVP sowie der SP. Auch das Geld ging der nunmehr selbsternannten Oppositionspartei nicht aus. Die Schweiz wurde einmal mehr mit unappetitlichen Plakaten zugekleistert, die darauf abzielten, Unbehagen gegenüber Nichtschweizern zu schüren (siehe dazu auch den Beitrag «Fussball, Fremdenhass und andere Plagen»).

Der Wind hat gedreht
Und dann dies: Am selben Sonntag, an dem der Zentralvorstand der SVP Schweiz ihre Bündner Kantonalsektion mit einer Kollektivstrafe belegte und diese wegen mangelnder Linientreue (ein Wort, das unangenehm an Säuberungswellen in Kommunistischen Parteien erinnert) ausschloss, erlitt die Partei mit dem Siegernimbus eine Niederlage, die sie zuerst mal verdauen muss. Das Volk wollte nicht so, wie es sich die SVP vorgestellt hatte, und schickte gleich drei Vorlagen an einem Sonntag bachab – und zwar überaus deutlich. Dass ich einmal solche Freude an den Neinsagern haben würde, hätte ich mir nie vorstellen können. Okay, das Nein zum Gesundheitsartikel war nicht primär ein Nein gegen die SVP, sondern ein föderal motiviertes Nein zur Idee, man könne eines der drängendsten Probleme der Schweiz (explodierende Kosten der Gesundheitsvorsorge und deren Finanzierung) mit Schlagworten aus dem Lexikon des Neoliberalismus lösen. Und dieses eine Nein traf die FDP genauso wie die SVP.

Anders sah es aber bei den beiden anderen Vorlagen aus: Der Initiative gegen Behördenpropaganda, die aus einem sektiererischen Umfeld lanciert wurde, wurde wohl ihr paranoïder Anstrich zum Verhängnis. Wer allen ernstes behauptet, in der Schweiz sei die freie Meinungsäusserung nicht gewährleistet, dem sei dringend eine Studienreise empfohlen. Wahlweise nach Moskau, Rangun oder Peking.

Willkür? Nein Danke!
Das dritte Nein schliesslich traf die SVP ausgerechnet bei einem Thema, das sie als ihre Kernkompetenz sieht: Der Ausländerpolitik. Dass die Abstimmenden die Offerte der SVP, im Rahmen von Abstimmungen über Einbürgerungen hin und wieder, geschützt von der Anonymität einer geheimen Urnenabstimmung, ein bisserl Gott spielen und Willkür über ausländische Mitmenschen ausüben zu dürfen, deutlich ausgeschlagen haben, gibt mir Mut. Es weht eine frische Brise durch das Land, seit Christoph Blocher abgewählt und Toni Brunner der neue Parteipräsident ist. Sancho Pansa taugt nicht als Don Quichote, und die SVP als seine Rosinante scheint an ihrem liberalen Huf zu lahmen.

Die rot eingefärbten Gebiete haben die Einbürgerungsinitiative abgelehnt, die blau eingefärbten haben sie angenommen. Ob dort mehr und gewalttätigere Ausländer hausen? Oder bloss besonders viele, fremdenfeindliche Schweizer?


Die frische Brise kündet davon, dass sich eine deutliche Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer durchaus mit dem identifizieren, was die Schweiz seit dem Ende des Kalten Krieges trotz aller Widerstände geworden ist (und eigentlich trotz aller Sonderfall-Ideologie immer war): Ein kleines, auf Export, Kooperation und internationale Vernetzung angewiesenes Land. Dass diese Erkenntnis noch nicht überall angekommen ist, wundert nicht. So haben die Stimmberechtigten im Kanton Schwyz (einer Brutstätte von Ausländergewalt und Multikulti-Problemen, wo der Imam von Brunnen zu heiligen Krieg aufruft, wie ich mir habe sagen lassen) die «Initiative für demokratische Einbürgerungen» angenommen. Der Autor überlässt es den Lesern dieses Blogs, sich auf diesen «Ausreisser» einen Reim zu machen.