Die Hauptstadt Kärntens stand noch nie unter dem Generalverdacht progressiven Denkens. Was nun aber Bürgermeister Harald Scheucher für die Dauer der Fussball-EM entschieden hat, bestätigt sämtliche Vorurteile, wie sie im Rahmen von Österreicher-Witzen in der Schweiz oft und nur zu gerne kultiviert werden. Weil Fahrräder von Chaoten als Wurfgegenstände missbraucht werden könnten, werden für die Dauer der EM alle Velos vom Klagenfurter Stadtgebiet verbannt, meldet heute die dpa.
Dass Fahrräder unversehens zu Wurfgegenständen mutieren, kennt man sonst eigentlich nur vom rituellen Radlwerfen bei Events der Fahrradkuriere. Oder von entnervten Radprofis wie Bjarne Riis (Tour 1997), Riccardo Ricco (Tirreno-Adriatico 2008) und David Millar (Giro 2008). Eine erste Frage drängt sich auf: Warum verbannt man die Velos vom Stadtgebiet und nicht die Chaoten? Weil Velos in den Kneipen nicht konsumieren?
Fahrräder raus, Autos her!
Zur gleichen Zeit offeriert Klagenfurt allen EM-Gästen Gratis-Parkplätze für ihren Spritfresser – diese beiden Massnahmen, scheinbar voneinander unabhängig, offenbaren eine benzingesteuerte Denksklerose beim Herrn Bürgermeister. Denn auch Autos können, einmal aufs Dach gedreht und angezündet, den Chaoten in Strassenkämpfen von grossem Nutzen sein. Also: Autos raus aus Klagenfurt!
Ganz zu schweigen von Motorrollern: Das sind ja eigentlich nichts anderes als rollende Reservekanister zur Mollie-Fabrikation, in farbigen Plastik gepackt. Also: Roller raus! Was könnte man denn noch verbieten? Wie wärs mit Krücken und Gehhilfen von Senioren, die zweifellos ebenfalls als Schlaginstrumente missbraucht werden könnten? Ein guter Grund, alle auf solche Gehhilfen angewiesenen Senioren Klagenfurts für die Dauer der EM unter Hausarrest zu stellen.
Bürgermeister Harald Scheucher
Klagenfurt als Hochsicherheitstrakt?
Zudem empfehle ich dem Herrn Harald Scheucher dringend, alle gepflästerten Plätze auf Stadtgebiet schleunigst einer Notasphaltierung zu unterziehen. Nicht, dass sich die Chaoten dort mit Pflastersteinen eindecken können. Und auch das Mobiliar von Biergärten und dergleichen muss niet- und nagelfest fixiert werden, sonst schnappen es sich die Hooligans, um sich damit auf die Fresse zu geben. Dass Glasflaschen dann genauso zu verschwinden haben wie Trinkgläser, versteht sich von selbst. Plastikbecher müssen reichen, basta!
Munition bis zum Abwinken: Das geschulte Auge erkennt eine Menge
potentieller Wurfgegenstände - aber kein einziges Fahrrad.
Am einfachsten wäre es wohl, ganz Klagenfurt zu räumen und die Stadt den Hooligans für die Dauer der EM zu überlassen (da Jörgl Haider in Kärnten seit Jahren den Landeshauptmann gibt, hat man sich daselbst wohl schon längst an Polit-Hooligans gewöhnt). Was danach noch steht, kann man renovieren. Und die Sache im übrigen als eine Chance für einen städtebaulichen Neuanfang betrachten. Dem Herrn Scheucher wünsch ich derweil viel Vergnügen.
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