Dienstag, 25. November 2008

Voll mobil – mit Atomstrom im Akku?

Öko ist hip – also versuchen viele Firmen, sich ein grünes Feigenblatt umzuhängen. Leider ist es kaum je mehr. Zeit für eine kleine Polemik!

Kaum jemand tut heute die Erderwärmung noch als Medienhype ohne Faktengrundlage ab. Oder stellt den Zusammenhang zwischen der Verwendung fossiler Brenn- und Treibstoffe und dem Klimawandel in Abrede. Nur Bushs und Palins sind sich dafür noch nicht zu blöde – aber das gilt bei diesen Herrschaften bekanntlich für (fast) alles.



Viele schwärmen von Al Gore’s Film «An inconvenient truth», dessen Kernaussage in Europa längst Common Sense sein sollte und nur für Amerikaner überraschend gewesen sein dürfte: Die Menschheit befindet sich aufm Holzweg, und so wie in den vergangenen 100 Jahren geht’s nun einmal nicht weiter. Zumindest nicht mehr lange.


Entlarvend nichtssagend, aber anders - und grün! Neue Ford-Werbung.

Audi auf irreführenden Wegen
Tatsächlich beginnen auch schon erste Auto-Hersteller, den Fokus (nein, nicht den Ford) ihrer Werbung von einer puren Leistungsschau (PS, Drehmoment und Beschleunigungswerte) auf Ökonomie und Ökologie (Verbrauch, CO2-Ausstoss) hin umzustellen. Renault und Peugeot gelingt dies weit überzeugender als Audi: Die Ingolstädter sind sich nicht zu blöde, ihren prolligen Agglo-Panzer Q7 mit einem Durchschnittsverbrauch von 1.3 Litern auf 100km anzupreisen.

Audi gebührt für irreführende Werbung und billige Trittbrett-Fahrerei eine gelbe Karte.

Nur im Kleingeschriebenen wird erklärt, dass dieser Wert sich pro Sitzplatz und für die sparsamste Dieselvariante verstehe – und nur, wenn man als Kunde die Option einer dritten Sitzreihe wahrgenommen habe (auf die wegen des knappen Kopf- und Beinraums nur Leute passen, die unter 1.60m sind). Meines Erachtens nicht nur eine ärgerliche Trittbrett-Fahrerei, sondern eine glatt irreführende Werbung, für die der Konsumentenschutz die AMAG einklagen sollte. Zumal auch im Q7 meist die statistisch erhobenen 1.8 Leute transportiert werden – und nicht sieben Nasen.

Ein Bolide unter den E-Mobilen: Der «Roadster» von Tesla.

Ein E-Bolide - für Jeremy Clarkson's grünes Gewissen?
In aller Munde war diesen Sommer auch der Tesla «Roadster»: Dieser schnittige Zweisitzer beschleunigt in unter 4 Sekunden auf 100 – und das mit Hilfe eines Elektromotors. Auch sonst scheint der Tesla geeignet, gängige Vorurteile gegen Elektromobile in Frage zu stellen. Dass dann einem Tuner wie Brabus nichts Gescheiteres einfällt, als dem Flüstersportwagen zumindest akustisch wieder auf eine Stufe mit den Spritschleudern zu stellen, ist wieder ein anderes Thema.

Auch der neue «iQ» von Toyota wird über den Klee gelobt, etwa in der heutigen Ausgabe des Tages-Anzeigers. So stellt der begeisterte Journalist fest, dass diesem Stadtflitzer zur Perfektion nur noch die Steckdose fehle – oder im Klartext: Der Elektro- oder doch zumindest der Hybrid-Antrieb. So einfach scheint bei verkürzter Betrachtung die Lösung aller Mobilitäts- und Klimaprobleme: Verbrennungsmotor raus, Elektromotor rein, und schon wird alles gut. Oder besser noch: Perfekt!

Massiv aufs Thema Elektroantrieb aufgesprungen ist zudem die Fahrrad-Industrie: E-Bikes waren an den diesjährigen Fahrradmessen eines der zentralen Themen – und zwar auch und gerade an der Interbike in Las Vegas. In der Schweiz hat der Bund mit Kommunen zusammen gespannt, um diesen Gefährten mit Hilfe des Impulsprogramms «New Ride» auf die Räder zu helfen – Elektro-Scooter inklusive. Selbst der NZZ am Sonntag waren die einst verpönten Öko-Akku-Velos diesen Sommer einen Artikel wert.

Dann tankt doch Euren Atomstrom!
In diese ganze Elektro-Euphorie hinein wage ich nun den ketzerischen Einwurf: Und woher kommt der ganze Strom, der in die Akkus von Hybrid-Modellen, Elektro-Mobilen und E-Bikes gespiesen werden soll? Wie genau sieht es mit dem europäischen Strommix und dessen Klimaverträglichkeit aus? Wie viele Prozent des Stroms stammen aus thermischen Kohle- oder aus maroden Atom-Kraftwerken? Das Öko-Feigenblatt verdorrt schon angesichts dieser Überlegungen sehr schnell.

Getrieben von bulgarischem Atomstrom?

Wasserstoff (und somit auch die Brennstoffzellen, wie sie verschiedene deutsche Autobauer propagieren) ist übrigens noch viel weniger eine Lösung: Denn von der Gewinnung aus Wasser über die Lagerung bis zur Kühlung im Auto selbst frisst dieser vermeintlich saubere Treibstoff schlicht unanständige Mengen an Energie.

Gefragt sind Effizienz und tiefes Gewicht
Wohlgemerkt: Wenn dank E-Bikes Leute ihre Karre stehen lassen, dann stellen diese einen bescheidenen Fortschritt aus der Sicht des Umweltschutzes dar – aber nur dann. Was statt dessen dringend Not tut, ist ein fundamentales Umdenken: Es macht keinen Sinn, jedesmal zwei Tonnen Blech in Bewegung zu setzen, um einen (oder ausnahmsweise auch mal zwei) Menschen von A nach B zu bewegen. Die Gefährte müssen wieder markant kleiner und leichter werden, wie anno dazumal die Kabinenroller. Das gilt auch für E-Bikes, die für den Stop-and-Go-Verkehr in der Stadt einfach viel zu träge und schwer sind, im Unterschied zu meinem Sub-9-Kilo-Renner. Alternativ kann man auch das Car Sharing forcieren, wenn sich bei den Gefährten nichts tut.

Auf jeden Fall muss bei der Effizienz angesetzt werden: Pro Nase sollten auf keinen Fall mehr als 300kg Vehikel bewegt werden, dann brauchts auch nicht mehr 150 bis 200 Pferdestärken, sondern 25 bis 50. Dieses Ziel ist nicht über Verbote, sondern über entsprechend ausgestaltete Instrumente der marktwirtschaftlichen Steuerung zu verfolgen: Im Klartext brauchts massive Strafsteuern für schwere Spritschlucker, flächendeckende Verbote für SUVs in Innenstädten sowie Road Pricing.

Die Instrumente sind bereits erfunden, um das laufende Wettrüsten auf den Strassen zu beenden. Bloss: Wer wagt es als erster, die heilige Kuh Automobil zu schlachten?

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