Mittwoch, 12. November 2008

Zum Tag der Narren, 11.11.2008: Opp-hohoho-sition

Nach der Abwahl Christoph Blochers taumelt die SVP orientierungslos durch die Politlandschaft. Slalomläufe statt fadengrader Politik, Rückzieher statt Pressing von Rechtsaussen: Selten war Opposition so plan- und ziellos.

Der Ton war nach der Abwahl Christoph Blochers überaus scharf: Nein, man betrachte weder Samuel Schmid noch Evelyne Widmer-Schlumpf als SVP-Bundesräte. Und ja, man gehe in die Opposition, die bisher noch von niemandem wahrgenommen worden sei (schon mal von den Grünen gehört, liebi Froue und Manne?). Prompt wurden die beiden Kuckuckseier von Bundesräten aus der Fraktion ausgeschlossen – den genauen Gehalt der Oppositionspolitik werde man noch rasch genug zu spüren bekommen, liess Toni Brunner wissen.

Kapitän ohne Kompass: Toni der Knecht

Fast ein Jahr nach der Abwahl ihres politischen Übervaters gibt die SVP ein Bild des Jammers ab. Es ist ja auch schwierig, sich auf Bundesebene als bissige Opposition aufzuführen, wenn man sich auf kantonaler und kommunaler Ebene seit Jahren die schönsten Pfründen und Pöstchen gesichert hat, ja in einzelnen Kantonen wie dem Thurgau und Regionen wie dem Zürcher Weinland schon fast so etwas wie eine Most-CSU ist. Also nicht die stärkste Partei, sondern DIE Partei schlechthin. Prompt waren es Vertreter aus Kantonen mit einer traditionell starken SVP, die von Anfang an Bedenken gegenüber dem aus der nationalen Zentrale verordneten Oppositionskurs äusserten.

Bilaterale: Ja, uhm nein, uhm Stimmenthaltung?
Zuerst bot die SVP bei der Frage der Ausweitung der bilateralen Verträge auf Rumänien und Bulgarien ein Trauerspiel, das genauso von Kopflosigkeit wie von innerer Zerrissenheit zeugte. An der Albisguetzli-Tagung drohte der grosse Abgewählte der EU noch wortgewaltig, diese Ausweitung mit einem Entgegenkommen im Steuerstreit zu verknüpfen. Wenn sich die EU nicht bewege, drohe ein Referendum. Einige Wochen später hatte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse offensichtlich Klartext gesprochen – und Blocher wollte nichts mehr von einem Referendum wissen.

Selbst als es das Parlament «wagte», die Vorlagen zur Fortführung sowie zur Ausweitung der bilateralen Verträge miteinander zu verknüpfen (realpolitisch ist gar nichts anderes denkbar, es sei denn, man erwarte von der EU, dass sie ihr Wesen verleugne und eigene Mitglieder, konkret Bulgarien und Rumänien diskriminiere), war Blocher bloss wütend ob dieses schäbigen Tricks. Das Referendum der Jungen SVP, der Schweizer Demokraten und der Lega mochte er gleichwohl nicht unterstützen. Schliesslich will die SVP der FDP den Status als Wirtschaftspartei streitig machen. Also wurde von einer Scheinvorlage gesprochen, zu der Stimmenthaltung die einzig passende Antwort sei – Stimmenthaltung als Form der Opposition, sehr interessant...

ANUS-Chef Pirmin Schwander: Garant gegen Realpolitik

Nun, da genügend Unterschriften für das besagte Referendum gesammelt sind, scheint es sich die SVP wieder anders zu überlegen: Getrieben von der Aktion für eine neutrale und unabhängige Schweiz (ANUS) und aus Angst, den im Verlauf der 90er Jahre absorbierten rechten bis offen ausländerfeindlichen Flügel der Partei zu verlieren, kokettiert man nun doch wieder mit der Unterstützung des (Schein-)Referendums. Was umgehend zu einem Aufjaulen des Wirtschaftsflügels um Peter Spuhler und Walter Frey führte. Statt fadengrader Opposition bietet die SVP ein Bild innerer Zerrissenheit – inklusive ungeniessbarem Tonfall in internen Querelen.

Und nun der Umfaller beim Rüstungsprogramm
Kaum ist die Frage, wie sich denn die SVP nun zum Referendum gegen die Bilateralen Verträge stellt, wieder etwas in den Hintergrund gerückt, knickt die selbsternannte Oppositionspartei ein nächstes Mal ein: Nachdem sie zuerst das Rüstungsprogramm ablehnen wollte, um dem missliebigen Samuel Schmid eins auszuwischen, begann es an der Basis zu rumoren. Denn diese steht weiterhin voll und ganz hinter der Armee und kann es nicht begreifen, wenn die SVP mit Sozialdemokraten und Grünen gegen diese paktiert.

Bild: Onlinereports.ch

Nachdem der böse Sämu Schmid das VBS gemäss SVP-Diktion lange überhaupt nicht im Griff und aus selbigem einen Saustall gemacht hatte, scheint nun dank einer spärlichen Problemanalyse alles komplett anders. Und schon wird aus der selbsternannten Oppositions- wieder die brave Abnickerpartei. Die Berufsmilitärs sowie schweizerische Waffenproduzenten wie die RUAG und die MOWAG wirds freuen. Für eine Partei, die ihre eigene Politik immer als fadengrad verkauft und diejenige anderer Parteien als Wischiwaschi-Politik verunglimpft hat, sind solche Haken, Kehrtwenden und Rückzieher allerdings höchst peinlich.

Toni, der überforderte Bauernbub
Das ganze Hüst und Hott zeigt meines Erachtens vor allem eines: Toni Brunner hat den Laden in keiner Art und Weise im Griff. Der Ziehsohn Blochers ist als Parteipräsident so überfordert wie fehl am Platz. Und die sechs Vizepräsidentinnen und -präsidenten (also Schatten-Präsident Blocher und seine fünf Claqueure) wissen nicht, wem sie es recht machen wollen: Dem rechten Rand ihrer Wählerschaft oder aber der Wirtschaft – am liebsten beiden, aber genau das geht eben nicht. Dass diese Zerrissenheit, die eine Folge des raschen Wachstums dieser Partei in den vergangenen 15 Jahren ist, so offen zu Tage tritt, hätte ich mir nie zu hoffen gewagt.

Neben Barack Obamas Wahl ist das Bild, das die ziel- und planlos herum irrende, selbsternannte Opposition im Moment bietet, ein zweiter Aufsteller in einer Zeit, wo die Tage nur noch kürzer und die News aus der Wirtschaft nur noch finsterer werden. Weiter so, SVP! Make my day – and make a fool of yourself.

Nachtrag: Papa Moll geht von Bord
Der späte Triumph von Sämi Pokerface

12.11.2008 – Nur einen Tag, nachdem die SVP-Vertreter in der zuständigen Ratskommission von ihrer ultimativen Forderung abgerückt waren und das Rüstungsprogramm doch noch durchgewunken hatten, gab Samuel Schmid seinen Rücktritt auf Ende Jahr bekannt - auch mit Verweis auf seine gesundheitlichen Probleme. Womit sich der behäbige Berner als Gewinner im Machtspielchen mit seiner eigenen Partei fühlen darf. Hatte doch Caspar Baader im Sommer noch klar gemacht, dass die SVP das Rüstungsprogramm blockieren werden, so lange Schmid im Amt ist.

Dass nun Christoph Mörgeli als erster nachtritt und zugleich den anderen Christoph als einzigen denkbaren Nachfolger ins Spiel zu bringen versucht, zeigt zwei Dinge: Erstens hat die Partei, welche jahrelang dem Personenkult anhing, ein echtes Problem, um valable Alternativen auf den Schild zu heben. Ein Blick in kantonale Exekutiven könnte da unter Umständen sinnvoll sein. Und zweitens haben die Hardliner innerhalb der SVP aus der Niederlage im Dezember 2007 (Nichtbestätigung von Christoph Blocher als Bundesrat) und dem daraus folgenden Oppositions-Trauerspiel nichts, aber auch gar nichts gelernt.

Das von verletztem Stolz und Rachsucht geprägte Verhalten Christoph Blochers seit seiner Abwahl ist nicht dazu angetan, ihn in einem besseren Licht erscheinen zu lassen als zur Zeit seiner Abwahl. Auch die Vereinigte Bundesversammlung als Wahlbehörde dürfte daher einen ultimativ vorgetragenen Einervorschlag nicht gouttieren, wie er Mörgeli vorschwebt. Zumal Blocher in seinem Web-TV (wie immer devot interviewt von Matthias Ackeret) dem Parlament erst letzthin mal wieder die Leviten lesen zu müssen glaubte.

Hat sogar seine eigene Partei ausgesessen: (Selbst-)Verteidigungsminister Sämu Schmid

Die Chance zu einem Neuanfang ist JETZT, liebe SVP!
Statt dessen bekommt die SVP nun die Chance, reinen Tisch zu machen: Evelyne Widmer-Schlumpf hat seit ihrem Amtantritt gezeigt, dass sie die Inhalte der SVP-Politik, nicht aber den unsäglichen Stil verinnerlicht hat. Erinnert sei an die Verschärfungen im Asylrecht, die sie vorgeschlagen hat. Mit Widmer-Schlumpf und einer jungen, noch unverbrauchten Kraft als Schmid-Nachfolger könnte die Partei die Oppositionsrolle, die ihr offenkundig so viele Probleme beschert hat, wieder in der Mottenkiste entsorgen und in die Regierung zurück kehren. Die Abspaltung der BDP wäre wohl auch kein Thema mehr, wenn die Zürcher Apparatschiks in die Schranken verwiesen werden.

Nur: Dazu müsste die SVP einen Sprung über den langen Schatten Christoph Blochers wagen. Man darf gespannt sein, ob sie dazu im Stande und willens ist. Wenn nicht jetzt, wann dann?

NACHTRAG II - eine Klarstellung, rein präventiv
Die lockere Schreibe soll über eines nicht hinweg täuschen: Was die SVP mit Samuel Schmid angestellt hat, wird gemeinhin als Mobbing bezeichnet - und lässt sich arbeitsrechtlich einklagen. Vor allem aber zeugt Mobbing (das Wort stammt nicht umsonst etymologisch vom "mob" ab) von charakterlichen Abgründen und einer hundsmiesen Gesinnung (die Hunde dieser Welt mögen mir dieses Adjektiv verzeihen).
Den verbliebenen Anständigen in der SVP wünsche ich viel Erfolg und Durchhaltevermögen beim Zurückdrängen der Radikalinskis um Schwander und Mörgeli. Eine wertkonservative, wirtschaftsnahe Partei hat in der Schweiz wie in der Regierung absolut ihre Berechtigung. Aber nur, wenn sie sich an gewisse Basics des zwischenmenschlichen Umgangs zu halten gewillt ist.

Und noch was: Andersdenkende sind keine Feinde, und man sollte sie auch nicht auf Plakaten als Tiere darstellen.

In diesem Sinne:
Gute Besserung und einen gefreuten Ruhestand, Sämu.
Und geht gefälligst mal in Euch, wenn Euch davor nicht graust, Ihr SVP-Hardliner.

1 Kommentar:

  1. Gratulation zu diesem Beitrag. Besser hätte man es nicht formulieren können.

    gruss aus basel leo

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