Den Anlass bot ein Artikel zu einem Postulat der Grünen, die Sihlhochstrasse abzubrechen: Dieses Ungetüm aus Stahl und Beton wurde 1974, als man das Automobil noch als Segen für die Menschheit und Motor des Fortschritts sah, als Teil einer Stadtautobahn erstellt. Dabei wurde die Sihl quasi "gedeckelt", denn die Autobahn sollte über dem Fluss und mitten durch Wohnquartiere hindurch bis zum Bahnhof und weiter in Richtung Rosengarten beziehungsweise Westtangente (um noch zwei weitere, sanierungsbedürftige Planungsleichen auf Stadtgebiet anzusprechen, wo die Wohnqualität bedenkenlos dem Mobilitätswahn geopfert worden ist) gezogen werden.
Wurde zum Glück NIE realisiert: Die Ypsilon-Stadtautobahn, hier als Projektskizze
vor der Sihlpost - und damit auch direkt beim Hauptbahnhof.
vor der Sihlpost - und damit auch direkt beim Hauptbahnhof.
Zum Glück wurde diese gleichermassen grössenwahnsinnige wie auto-mane Fehlplanung nie umgesetzt - und so blieb die Sihlhochstrasse ein Wurmfortsatz einer Autobahn, deren Verkehr sich über Jahrzehnte stockend in die Stadt wälzte. Böse Zungen meinten bald, dass sich Brunau nicht umsonst auf Stau reime. Dass die von der Autobahn her kommenden Kolonnen oft die Ausfahrten des zentralen Depots der städtischen Berufsverkehr blockierten, war ein weiterer Planungsfehler, der einen sprachlos machen konnte.
Typisches Bild in der Brunau: Rückstau am Autobahnende.
Das graue Gebäude hinten links ist übrigens das Feuerwehr-Depot.
Das graue Gebäude hinten links ist übrigens das Feuerwehr-Depot.
Nun, da endlich und für viele Milliarden Franken die Westumfahrung der Stadt Zürich inklusive Üetlibergtunnel fertig gestellt werden konnte, ist die Daseinsberechtigung dieses Relikts einer nur aufs Auto ausgerichteten Fehlplanung (die Geschichte des Ypsilons wird von der NZZ in einem Artikel umfassend und überraschend ausgewogen bis kritisch abgehandelt) nicht mehr gegeben. Und daher verlangen die Grünen nun, im Interesse der Schaffung von Grünräumen und einer Aufwertung des Quartiers rund um die Brunau, die Sihlhochstrasse abzureissen.
In den Kommentarspalten des Tages-Anzeigers formiert sich aber bereits der Widerstand der Auto-Pendler gegen den Abbruch dieser Bausünde. Und dabei äussert sich eine Dame besonders dreist, meint sie doch im Zitat:
Die Stadt Zürich benötigt keine Grünflächen und Erholungsräume. Die Stadt Zürich benötigt mehr Strassen und Parkplätze. All diejenigen, welche Erholung benötigen, sollen mit dem Velo und den ÖV aufs Land fahren.
Richtig, Frau Huber! Die Stadt Zürich ist bloss ein Zubringer zwischen dem Häuschen im Grünen und dem gut bezahlten Arbeitsplatz in der Stadt. Das Gesocks, das sich in dieser Stadt, pardon Verkehrs- und Parkfläche zu wohnen erdreistet, hat keinen Anspruch auf mehr Ruhe, weniger Abgase oder gar Grünflächen oder Freiräume, in der Stadt aufwachsende Kinder sollen mangels Sportplätzen ruhig verfetten.
Oben der Autobahndeckel mit seinen Betonstelzen, unten der Fluss:
Die Sihlhochstrasse, hier noch vor der Stadtgrenze.
Die Sihlhochstrasse, hier noch vor der Stadtgrenze.
Alles sehr verquer, und ein Beleg dafür, dass dieses auf den motorisierten Individualverkehr fixierte Denken noch keineswegs ausgestorben ist. Selbst sage ich: So lange im Pendlerverkehr in zwei von drei Autos nur eine Person sitzt, sollte die Anzahl der Parkplätze in Zürich eher weiter reduziert werden. Und mehr Strassen braucht's schon gar nicht. Die Stadt ist zum Leben da, zumindest für knapp 300'000 Menschen.
Wer sich vertiefter mit der missratenen Verkehrsplanung rund ums Ypsilon beschäftigen will, dem sei der entsprechende Thread im SykscraperCity-Forum empfohlen - dort gibt's eine Menge weiterführender Links.
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