Samstag, 12. Juli 2008

Big Apple by Bike

Fahrrad fahren galt in den USA lange als Spleen von Müeslifressern und Weltverbesserern. Doch die hohen Spritpreise und Rushhour-Staus führen nun auch in New York zu einem Umdenken: Am Broadway müssen Autos dem Langsamverkehr Platz machen.

Bisher war der Broadway eine typische, menschenfeindliche Strassenschlucht im Big Apple: Vier Fahrspuren, zwei für jede Richtung, und in der Rushhour ging trotzdem nichts mehr, weil die Autos Stosstange an Stosstange stehen. Nun aber meldet die «New York Times», dass die Stadtverwaltung die Anzahl der Fahrbahnen für den motorisierten Verkehr am Broadway glatt halbieren will. Die freiwerdende Verkehrsfläche wird je zur Hälfte für Flaneure und Strassencafés umgenutzt sowie den Radfahrern zur Verfügung gestellt. Das erklärte Ziel lautet denn auch: Weniger Autos und Autokolonnen, mehr Passanten und Flaneure.

Bereits im August sollen die Bauarbeiten zwecks Umgestaltung des Strassenraums beginnen, wobei sich der budgetierte Betrag von 700'000 US-Dollar sehr bescheiden ausnimmt, wie einzelne Blogger zu recht anmerken. Da kann man nur noch hoffen, dass die neu entstehende Fahrradspur nicht vom Freund und Helfer als Parkfläche missbraucht wird, wenn die Doughnut-Vorräte mal wieder aufgestockt werden müssen (Okay, ich gebs zu: Das war jetzt ein medial vermitteltes Klischee bezüglich der kulinarischen Vorlieben amerikanischer Ordnungshüter).


Erfreulich unideologisch in Fahrradfragen: Michael Bloomberg, Mayor of the Big Apple

Somit zeigt sich einmal mehr: Die Verkehrspolitik hat sich aus parteipolitischen Fesseln befreit. Auch bürgerlich-liberale Politiker wie Michael Bloomberg schrecken nicht mehr vor Massnahmen zurück, welche den angesichts von verpesteter Luft, allgegenwärtiger Staus und steigender Spritpreise zunehmend irrational erscheinenden Fetisch der individuell mobilisierten Gesellschaft (das Automobil) in die Schranken verweisen. Das zeigte sich zuerst in Stockholm, wo eine bürgerliche Stadtregierung sich zur Einführung einer Strassenmaut auf Stadtgebiet entschied - was die Bürger der schwedischen Hauptstadt inzwischen auch per Abstimmung abgesegnet haben. Und das zeigt sich nun in New York, wo der Bürgermeister und Medienunternehmer Michael Bloomberg auch nicht im Verdacht steht, ein Öko-Romantiker und verkappter Linker zu sein.

Kei Liebi fürs Velo(ve): Roger Liebi, autovernarrter Investment-Banker und Zürichs vorderster Scharfmacher gegen die Velo-Anarchie.

Dass diese Entideologisierung des Langsamverkehrs noch nicht bei den Langsamdenkern der schweizerischen Politik angekommen ist, überrascht dagegen kaum: In den Augen der SVP sind sowohl der öffentliche Verkehr wie das Fahrrad Erfindungen linker Ökoterroristen, welche die gesund liberale Gesinnung senkrechter Bürger bei Gebrauch verbiegen, bis ein Heer von Krypto-Kommunisten entsteht. Dieses «Denkmuster» hat das Ende des Kalten Krieges leider ohne Probleme überstanden. Als Sportgerät ist das Velo auch diesen Herrschaften willkommen, wie die SVP im luzernischen Schötz beweist, wenn sie SVP als Abkürzung für Schweizer Velo-Power interpretiert (auf Seite 9 dieses Grüsel-PDFs zu finden, gleich nach der Empörung über wasserballon-schmeissende Veloterroristen in der Stadt Luzern). Als Konkurrent um Strassenraum und Steuergelder dagegen bleibt das Fahrrad ein Feindbild, das gehegt und gepflegt wird.

Darum wehrt sich die SVP noch immer mit Händen und Füssen gegen alles, was nach einer Förderung des Langsamverkehrs aussieht: Seien es die 20 Millionen pro Jahr, welche laut neuem Verkehrsplan des Kantons Zürich in die Infrastruktur für Fahrräder fliessen sollen, sei es die Fahrrad-Unterführung unterm Gleisfeld in Winterthur, die von Nichtfahrradfahrern als unnötige Luxusübung verunglimpft wird. Überhaupt sollen sich die Fahrradfahrer doch bitte sehr zuerst einmal an die Verkehrsregeln halten, bevor sie sich erdreisten, politische Forderungen zu stellen. Zudem werden Infrastrukturen für Fahrradfahrer, etwas überdachte und bewachte Abstellanlagen an Bahnhöfen, von SVP-Exponenten überaus kritisch unter die Lupe genommen.

«Ewiggestrig» erscheint mir da schon als Kompliment, denn diese Herrschaften hinken um mehr als nur einen Tag hinter der Entwicklung her – und ein Zukunftsvision haben sie, abgesehen von einem «zurück in die Welt vor 68» auch nicht auf Lager. Im Grunde kann man diesen Herrschaften (und den wenigen in dieser Macho-Partei aktiven Frauen) nur raten, sich mal auf ein Fahrrad zu setzen. Vielleicht vermag der Fahrtwind, den alten Mief aus den Köpfen zu vertreiben.

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