Bei KMU-Betrieben ist die Frage, wann der Patron ins zweite Glied treten und die nächste Generation ans Ruder lassen soll, von oftmals existentieller Bedeutung. Das scheint bei Parteien mit starker Fixierung auf eine Person kaum anders zu sein.
Vergangene Woche ereignete sich in Bern bemerkenswertes: Die Parteileitung der SVP um Toni Brunner gelangte mit einem bemerkenswerten Antrag an die Fraktion. Noch ehe sich im Bundesrat eine Vakanz ergab (Hans-Rudolf Merz will zurückkehren und Sämu Schmid partout nicht zurücktreten), sollte der grosse Abgewählte als einzig möglicher Kandidat der SVP aufgestellt werden. Christoph Blocher sei nun einmal der am besten geeignete Mann für dieses Amt, beteuerte Toni Brunner.
Unbesehen davon, ob man den selbsternannten Volkstribun und Milliardär für geeignet hält, sich in einem Gremium von sieben Gleichberechtigten einzubringen (für mich ist das Alphatier Blocher dort fehl am Platz), war dieses Vorgehen bemerkenswert. Zumal es von einem weiteren Antrag begleitet wurde: Wer künftig als SVP-Mitglied die Wahl in den Bundesrat gegen den Willen der eigenen Partei annehme, soll automatisch aus selbiger ausgeschlossen werden.
Offene Rechnungen, verletzte Egos
Beide Anträge zeugen davon, dass viele in der SVP die Niederlage, als welche sie die Abwahl Christoph Blochers empfanden, noch längst nicht verdaut haben. Und so sind auch die beiden Anträge der Parteileitung zu verstehen: Sie richten sich zwar auch an die eigenen Reihen, vor allem aber sollen sie die Vereinigte Bundesversammlung als Wahlgremium disziplinieren: Erstens hat sie nur offizielle SVP-Kandidaten zu wählen, und zweitens kann dieser Kandidat in den Augen der Parteileitung nur Christoph Blocher heissen.
Die Diskussion an der Fraktionssitzung vom vergangenen Dienstag soll laut Tages-Anzeiger ausgesprochen animiert verlaufen sein – um es mal vornehm auszudrücken. Und sie endete mit einem Patt: Die Parteileitung kam zwar mit ihrem Antrag durch, wonach nichtoffizielle Kandidaten nach Annahme der Wahl aus der Partei ausgeschlossen werden sollen. Aber auf den einzigen und alleinigen Kandidaten Blocher mochte sich die Fraktion (noch) nicht festlegen, was schon fast einer Palastrevolte gleich kam. Entsprechend säuerlich verkündeten Toni Brunner und Caspar Baader diesen Beschluss nach der Sitzung vor der Presse.
Blocher - eine Marke oder eine Hypothek?
Nun gibt es verschiedene Gründe für einen SVP-Bundesparlamentarier, um der Parteileitung nicht voreilig Folge zu leisten: Erstens ist die Kandidatur Blocher im Wahlgremium offensichtlich chancenlos. Zu viel Geschirr hat dieser Herr in den letzten Monaten seiner Zeit als Bundesrat und vor allem in den Monaten nach seiner Abwahl zerschlagen. Zweitens können einige mit dem von der Parteileitung verordneten Oppositions-Kurs wenig anfangen – weil die SVP in ihrem Herkunftskanton die staatstragende Partei schlechthin ist.
Sie wollen zurück in den Bundesrat, durchaus auch zunächst mit nur einem Vertreter (Eveline Widmer-Schlumpf dürfte in den Schoss der Partei zurück kehren, sobald die Blocherianer entmachtet sind) – und einigen werden Ambitionen nachgesagt, selbst zu kandidieren. Der dritte und und gewichtigste Grund ist aber, dass in den Augen mittelfristig denkender Parteiexponenten die Zeit für einen Generationenwechsel reif ist: Der Mythos Blocher hat Risse bekommen. Der Mann hat den Siegeszug der SVP während 21 Jahren orchestriert und finanziert, ehe ihn das politische System als ungeniessbar ausspuckte. Bloss Peter Spuhler, Vorzeige-Unternehmer in den Reihen der SVP, wagte es beim Namen zu nennen: Blocher drohe für die Partei zu einer Hypothek zu werden.
Die Rede vom Geld - oder wie man Parteikollegen erpresst
Wie nun bekannt wird, erwiesen sich die treusten Blocher-Anhänger in der Fraktionssitzung vom vergangenen Dienstag als üble Rappenspalter, die Ziele mittels Erpressung verfolgen. So gab Theophil Pfister den Aufmüpfigen zu verstehen, dass es hier nicht nur um die Personalie Blocher gehe, sondern um jährliche Zuwendungen in der Höhe von 10 bis 12 Millionen Franken.
Noch dreister war Toni Bortoluzzi, der Ulrich Giezendanner einen Stapel Einzahlungsscheine in die Hände drückte, mit der bissigen Bemerkung, jetzt könne ja Giezendanner einige Hunderttausend Franken einzahlen. Nicht verbürgt ist, zu welchen Geschmacklosigkeiten sich Blochers oberster Wadenbeisser Christoph Mörgeli bei dieser Gelegenheit gegenüber den Aufmüpfigen hinreissen liesss.
Macht kaputt, was Ihr zu schützen vorgebt!
Dieses mit Verlaub schmierige Vorgehen zeugt von einer Moral des «Wer zahlt, befiehlt!». Dass diese Mentalität ausgerechnet in den Reihen jener Partei Urständ feiert, die sich immer als Gralshüterin der reinen und unverfälschten Demokratie nach Schweizer Spielart inszeniert, ist umso bemerkenswerter. Dass diese Partei schon in der Vergangenheit versucht hat, sich in Sachabstimmungen mit blossem Werbedruck statt mit Argumenten durchzusetzen, wurde in diesem Blog bereits in Zusammenhang mit der Einbürgerungsinitiative thematisiert (siehe dazu Archiv, Monate Mai/Juni 2008).
So werden Rappenspalter zu Totengräbern – zuerst einmal der innerparteilichen Demokratie, dann der Gesprächskultur in politischen Gremien und zuletzt derjenigen Institution, welche sie zu verteidigen vorgibt: Der direkten Demokratie in der Schweiz.
Winter Mood
vor 5 Tagen
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