Mittwoch, 6. Juni 2012

Wenn Innovation Leader rumätzen


Specialized baut schöne Räder - und führt sich immer wieder unmöglich auf. So auch mit einem Mailing an die Händler, in dem ohne Hemmung gegen die Radgrösse 650B geschossen wird. Negative campaigning der übelsten Sorte.

Dass in der Wirtschaft schon mal mit harten Bandagen gekämpft wird, ist nicht neu. Dass dies umso eher zutrifft, wenn amerikanische Firmen beteiligt sind, auch nicht. Man kennt es zum Beispiel von Apple unter dem verstorbenen Zampano (aka iGod) Steve Jobs, der das konkurrierende Handy-Betriebssystem Android öffentlich als Müll bezeichnete, den es vom Markt zu wischen gelte. Ich hab schon öfters festgestellt, dass für Apple wie für den Fahrrad-Hersteller Specialized für mich das selbe zutrifft: Ich mag die Produkte durchaus, aber über das Geschäftsgebaren und das Auftreten der Firma kann ich immer wieder nur entgeistert den Kopf schütteln.
Da ich in der Schweiz bereits mehrere Artikel zur Mountainbike-Laufradgrösse 650B in B2B-Publikationen und Zeitungen veröffentlicht (und auf Twitter das Hashtag #thebetter29er ins Leben gerufen) habe, wurde mir das jüngste Schreiben von Specialized von einem Fachhändler zugespielt. Darin ist sich Specialized nicht zu blöde, den grossen Trend der kommenden Saison nach Kräften madig zu machen - mit sehr fragwürdigen Argumenten. So meinen die Spezi-Buam, sich über die Benennung "27.5 Zoll" lustig machen zu müssen. Aber auf ihre technisch auch nicht korrekt benannten 29-Zoll-Stelzenräder bilden sie sich unglaublich viel ein. Auch wenn diese Dinger dieses Jahr noch zu keinem Worldcup-Sieg geritten wurden.

Unmotivierte Breitseite: Das Händlerschreiben von Specialized gegen den 2013er-Trend.

Auch die Darstellung von 650B als faulen Kompromiss ist mehr als fragwürdig: Es fehlen die Argumente, und genauso gut könnte man von der goldenen Mitte reden  statt von einem faulen Kompromiss. Noch lustiger ist der Hinweis auf die angeblich ungenügende Auswahl an Anbauteilen: Diese soll laut Specialized schlechter sein als im Fall der 29er vor 10 Jahren. Mit Verlaub und gestützt auf meine Recherchen zu diesem Thema kann ich sagen: Das ist Bockmist aus Morgan Hill. Für 650B wird schon 2013 eine breitere Auswahl an Federgabeln zur Verfügung stehen, als dies nach 10 Jahren 29er-Entwicklung der Fall ist. Den Engpass sehe ich wenn schon bei den Rahmen, nicht bei den Anbauteilen.  Aber auch da werden viele Marken schon 2013 erste Modelle lancieren. Und nein, Specialized gehört da nicht dazu.

Seite 2 der Breitseite - die Argumente werden nicht besser, das Motiv dafür klar.

Angesichts der wenig überzeugenden und noch viel weniger sympathischen Negativ-Kampagne drängt sich der Eindruck auf: Da hockt ein selbsternannter Innovation Leader, der letzthin noch seinen aufgedonnerten Stromer namens "Turbo" als DIE Innovation im eBike-Segment zu präsentieren versuchte, auf einem grossen Berg 29er-Räder. Und hat gehörig Schiss, dass diese im Zuge der 650B-Welle nicht mehr so begehrt wie bis anhin sind, wo Specialized schon im April "ausverkauft" posaunt - und damit den Fachhandel in einen dummen Rank stellt. Dass diese Firma im vergangenen Herbst nur ZWEI Testräder vom Stumpjumper 29 für ganz Europa bereit gestellt hatte, ist ein weiteres Versagen, das mir nur ein Kopfschütteln abzuringen vermag.

Darum geht's: Der grosse Trend der Jahre 2011/2012 und derjenige für 2013/2014.

Mein Fazit: Statt beim Fachhandel für miese Stimmung gegenüber einem Trend zu sorgen, der unvermeidlich 2013 kommen wird, soll Specialized lieber die eigenen Produkte bewerben. Diese Art von Madigmachen ist nicht geeignet, das Image der Firma zu verbessern. Specialized täte gut daran, die eigene Produktionsplanung an den Bedarf anzupassen (und nicht durch eine mutwillige Verknappung das eigene Produkt zu einem Hype zu machen). Und wenn dann noch Zeit übrig bleibt, könnte man auch mal dafür sorgen, dass Ersatzteile für die fesch ausschauenden, hauseigenen Roval-Laufräder lieferbar werden. Wenn dann immer noch Zeit und Energie übrig sein sollte, dürfen die Herrschaften gerne noch etwas gifteln. Aber nur dann.

In diesem Sinne: Schnauze, setzen, Hausaufgaben machen. Und überlegt Euch jetzt schon einmal, wie Ihr im Herbst 2013 Euer aktuelles, destruktives Gequake zurück nehmen wollt, weil Ihr dann ganz sicher selbst mit 650B-Rädern kommen werdet. Und Euch dann schon mal präventiv in den eigenen Fuss geschossen habt. Grosses Kino!

1 Kommentar:

  1. also interesting the statement by Open Cycles http://www.opencycle.com/blogs/article/26-vs-275-650b-vs-29?c=217

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