


Fahrräder - (Verkehrs-)Politik - guter und schlechter Geschmack - eine Prise Kultur. Dazu eine Portion Exotik in Form von Reisen. Oder einfach: Alles, was mich umtreibt.
Auf dem Weg vom Bellevue zum Bahnhof Stadelhofen (einer für Pendler in Zürich überaus typischen Route) fiel mir mal wieder ein Fahrrad auf, dessen Zustand so bemitleidenswert war, dass es ein würdiger Vertreter für die «Bikewrecks»-Serie auf meinem Blog ist.
Dabei wäre der klassische, gemuffte Stahlrahmen von Kristall mit den klassischen Schalthebeln am Unterrohr noch nicht einmal so übel – zumal auch der Lack noch in einem erstaunlich guten Zustand war, im Unterschied zu den teils abgeblätterten Aufklebern. Vom angeschraubten Ständer über das billige Steckschutzblech hinten bis zum Robidog-Beutel um den Sattel deutet vieles darauf hin, dass der Besitzer wenig Feingefühl in Sachen Stil hat. Form follows function, so you get what you deserve, haha.
Den Vogel schoss aber die Kette an dem Radl ab: Was einst ein geschmeidiger Antriebsstrang gewesen sein mag, ist nun nach dem winterlichen Salzbeschuss zu einem störrischen, rostigen Etwas mutiert, das auf alle Seiten Wellen schlägt – und dabei sogar in die Speichen des Hinterrades gerät. Ein Fall für eine umfangreiche Revision im Frühling. Oder doch gleich für die Mulde? Das fette Schloss erscheint mir auf jeden Fall etwas Overkill zu sein, als Wegfahrsperre reicht dieses störrisch-rostige Etwas zwischen Kurbel und Ritzeln locker!
Wie ich morgens kurz vor neun Uhr den Fiat Panda 4x4 inklusive aufm Anhänger verzurrtem Dutchtub von meinem Bruder übernommen hatte, begann ein langer Tag hinterm Steuer. Und schon bevor ich die Autobahn erreicht hatte, wurde ich von einem Audifahrer rechts überholt. Rund um Zürich floss der Verkehr, doch am Grauholz stockte es erstmals – und zwar wegen Bauarbeiten auf dem Berner Autobahn-Ring. Der Zeitverlust hielt sich in Grenzen, so dass ich schön im Soll lag.
Um 12.45 Uhr lotste mich das Navi zielsicher an die Wohnadresse der Familie Castro, gleich unterhalb der Altstadt von Nyon und mit Blick auf den Genfersee – alle Achtung. Während es morgens noch aus tiefhängenden Wolken getröpfelt hatte und danach Grau in Grau gewesen war, kam nun die Sonne durch.
Aber es stellte sich die Frage, wie wir die Wanne in den Garten bekommen sollten: Der Zugang von der Strasse her erwies sich als zu schmal, also galt es, Alternativen zu finden. Eine weitere Route kam nicht in Frage, weil ein Vertikalabsatz von 1.5 Meter im Weg war. Von unten aber bot sich eine vielversprechende Möglichkeit, über ein asphaltiertes Strässchen, das zu einem Park führt. Bloss: Die Paravents waren alle fest an Winkeleisen verschraubt, eine Tür oder dergleichen gab es nicht.
Und gleich hinter den Paravents schossen allerlei exotische Gewächse in die Höhe, darunter auch ein meterhoher Bambus. Sogleich beschloss Monsieur Castro, dass er ein Segment lösen werde, um einen Zugang zu schaffen. Weil der passende Aufsatz für den Akku-Schrauber fehlte, musste er zuerst aber in den nahen Baumarkt flitzen. Was mir Zeit gab, um einen Espresso zu trinken. Sowie der Herr des Hauses zurück war, rückte er den Schrauben zu Leibe.
Zusammen mit seiner Angestellten krallte ich mir den losen Paravent, dann galt es noch einige Sträucher aus dem Weg zu biegen und zurück zu binden, ehe die Wanne vom Hänger und über eine kleine Stützmauer und die Sträucher hinweg in den Garten gehoben werden konnte.
Von da an galt es, Vorsicht und Präzision walten zu lassen. Weil die Treppe an einer weiteren Stützmauer vorbei führte, mussten wir den Dutchtub hochkant tragen. Dieser Engpass wurde ohne Schrammen oder anderweitige Schäden bewältigt, und danach warens nur noch 50 Meter leicht bergan durch eine nasse Wiese, ehe der Dutchtub mit der Nummer 458 seinen Bestimmungsort erreicht hatte.
Nachdem ich den Castros mit Hilfe der Illustrationen meines Bruders erklärt hatte, wie der Dutchtub genau zu handeln ist, galt es noch das obligate Bild zu schiessen und bei der Remontage des Paravents zu helfen. Und dann, mich wieder auf den Rückweg zu machen – laut Navi 297 Kilometer. Um 14.30 Uhr hatte ich den leeren Anhänger wieder angekuppelt, also konnte es los gehen.
Mein Kalkül war klar: Noch vor der Feierabend-Rushhour an Bern vorbei kommen und dann hoffentlich spät genug in Zürich sein, um dort nicht auch noch in der Pendlerwelle mitpaddeln zu müssen. Bei einem kurzen Tankstopp konnte ich nochmals die Sonne geniessen – und über den kleinen Tank des Fiat Panda schmunzeln. Dann ging es weiter nach Bern, mit leerem Hänger zügiger als aufm Hinweg.
Am Grauholz gabs dann aber bereits um 16.15 Uhr ein Déja Vue-Erlebnis: Wieder stockte der Verkehr, kurz darauf kündigte sich wieder ein Rückstau an und alle Fahrzeuge zogen nach rechts – auch auf den Pannenstreifen. Wegen eines Auffahrunfalles auf der Überholspur, der noch so frisch war, dass die Insassen der Unfallautos den Verkehr regelten. Bis Baden war der Verkehr dicht, und immer wieder konnte ich beobachten, wie Leute mit idiotischem Verhalten Gefahrenmomente provozierten.
Wie ich mich dem Gubristtunnel näherte, war Schluss mit lustig: Der Rückstau war beachtlich, und auch beim Glattzentrum und dann nochmals auf der Höhe von Winterthur kam ich nur zäh voran. So stellte ich den Panda erst Viertel nach Sechs in Frauenfeld ab, um noch kurz bei meinem Bruder Sjoerd, Claudia, Merel und den Haustieren reinzuschauen.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel Musik man auf YouTube findet: Das beginnt mit obskuren, frühen Aufnahmen aus den 70ern, etwa dem Song «Can I sit next to you Girl?» von AC/DC. Den findet man einmal mit Dave Evans am Mikro, und die Band liess sich da noch ins Genre Glam Rock einordnen – vom Outfit bis zur Art, wie der Song gespielt wird.
Zwei Jahre später, mit dem ebenso unvergessenen wie unersättlichen Bon Scott (zu dessen Ehren am kommenden Freitag im Gaswerk in Winterthur eine Tribute-Party steigt) am Mikro, präsentiert sich die Band wie ausgewechselt – und weist schon all jene Elemente auf, die AC/DC bis heute unverwechselbar machen. Auch Meilensteine der Musikvideo-Kunst sind auf YouTube zu finden, etwa «Whip it» von Devo: Anfangs der 80er Jahre war dies einer der ersten Clips der MTV-Frühzeit, der eigens im Studio produziert und nicht an einem Live-Auftritt gefilmt worden war.
Selbst aktuelle Hits lassen sich auf YouTube finden - was Sinn macht, weil die vermeintlichen Musik-Fernsehsender ja nur noch Dating-Shows, alternde Rap- und Rockstars auf Brautsuche oder medial inszenierte Selbstverstümmelungen ausstrahlen, aber kaum noch Videoclips. Mir egal, denn die Mucke der 90er finde ich ohnehin weit spannender , einer Ära, in der es noch keine Castingshows für Geltungssüchtige mit unterentwickeltem Sangestalent gab, Piero Esteriore noch von einer Karriere als Coiffeur träumte, Bushido seiner Lehrerin auf die Nerven ging und Bässe noch tief und finster sein durften. Wie ich mich von einem alten Track von Leftfield zum nächsten clickte, fiel mir denn auch eine CD ein, die unmittelbar vor meiner Rückkehr in die Schweiz (nach zwei Jahren in den Niederlanden, 1996 - 1998) in der alternativen Musikpresse mit enorm viel Vorschusslorberen bedacht worden war. Und die ich in Folge des ganzen Umzugsstresses komplett aus den Augen verloren und darum nie gekauft hatte: Es geht um «Psyence Fiction» von UNKLE.
Hinter UNKLE steckte in dieser frühen Phase neben James Lavelle, dem Kopf des Londoner Mo’Wax-Labels, der Frickler und Soundtüftler DJ Shadow. Die beiden holten eine ganze Reihe von Musikern ins Studio, die Ende der 90er den Zenit ihrer Karriere erreicht hatten oder sich noch im Steigflug befanden: Namen wie Thom Yorke (Radiohead), Richard Ashcroft (The Verve), Jason Newstead (Metallica), Badly Drawn Boy oder eine Reihe von MCs wie Mike D oder Lateef the Truth Speaker sprechen für sich.
Bisher gibts nur einige wenige Länder, in denen eine Velohelm-Pflicht herrscht. Und diese Länder zeichnen sich dadurch aus, dass das Velo ausschliesslich als Sportgerät, nicht aber als nachhaltiger Verkehrsträger betrachtet wird. Konkret geht es um Spanien und Australien. Dagegen käme es in Ländern, wo das Velo eine starke Stellung im Verkehr hat, niemandem in den Sinn, sich mit der Forderung nach einer Velohelm-Pflicht lächerlich zu machen. Eigentliche Paradebeispiele sind Dänemark und die Niederlande: Wer schon einmal in Amsterdam oder Kopenhagen als Velometropolen der Welt unterwegs war, dürfte wenig Velohelme, aber Massen von Velofahrern gesehen haben.
Eine Schale für jeden Einsatzzweck: Fünf meiner sechs Velohelme, adrett aufgereiht.
Aber zum Einkaufen, aufm Weg in die Stammkneipe oder zum Bahnhof käme es mir schlicht nicht in den Sinn, konsequent eine Schale aufzusetzen. Der Grund dafür ist sehr einfach: Ich habe keinen Bock, den Helm danach am Rucksack befestigt mit mir rumzutragen (und ihn dabei unweigerlich zu beschädigen) oder ihn am Lenker des Alltagsvelos zurück zu lassen, allfälligen Vandalen und dem Wetter schutzlos ausgesetzt. So lange man den Helm nicht unentgeltlich und sicher vor Wetter und Vandalen am Abstellplatz des Velos los werden kann, kommt eine Helmpflicht für mich daher nicht in Frage.
Vollkasko-Lösung à la Moritz: So sähe wohl ein verantwortunsvoller Velopendler in den Augen des ASTRA aus - noch ohne reflektierendes Ganzkörper-Kondom, versteht sich.
Dennoch will der Bundesrat die Helmpflicht zumindest mal für Kinder bis 14 Jahre einführen. Im Namen einer nie zu erreichenden, absoluten Sicherheit werden einige höchst unerwünschte Nebeneffekte in Kauf genommen: Weniger Kinder werden nach der Einführung einer solchen Helmpflicht mit dem Velo zur Schule fahren. Also müssen noch mehr Mamis als jetzt schon ihre wegen Bewegungsmangels noch rapider verfettenden Blagen mit überdimensionierten SUVs zur Schule fahren und dort nach Ende des Unterrichts wieder abholen. Was zu einer Häufung gefährlicher Momente vor den Schulen selbst führt – und zu mehr Staus und vermehrtem Schadstoff-Ausstoss, möchte man anfügen.
Marketing by fear: So sorgen bfu und SUVA dafür, dass Velofahren mit Horror assoziiert wird. Bravo!
Ganz abgesehen davon, dass den Kindern auf diesem Weg von Anfang an vermittelt wird: Velofahren ist etwas schrecklich Gefährliches! In diese Richtung zielt ja leider auch seit Jahren die unsägliche bfu-Velohelmkampagne, bei der ein Velohelm wie die Maske aus den Horrorfilmen «Scream» daher kommt. Ja was nun, ist Velofahren ein «Horror», vor dem man die Menschen mit Hilfe grossformatiger Plakate warnen muss? Oder wäre es nicht vielmehr Aufgabe einer Beratungsstelle für Unfallverhütung, den motorisierten Verkehr zu mehr Vor- und Rücksicht aufzurufen? Und ist sich passiv von A nach B chauffrieren zu lassen viel sicherer? Dass diese Kinder dann nicht nach dem 14. Geburtstag zu Velofahrern werden, dürfte einleuchten.
So ginge es auch: Helmstudie des Berliner Design-Duos «Die Formatoren»für Abus.
Zivile Optik (auch wenn ich mir Assoziationen in Richtung S&M nicht verkneifen kann und den pinken Beissball vermisse) und robuste Bauart, um Berührungsängste abzubauen.
Mein Fazit zur ganzen Helmpflicht-Debatte ist darum: Wer den Helm zur Pflicht macht, trägt aktiv zur Verminderung der Nutzung des nachhaltigsten Verkehrsmittels bei – eben des Velos. Und nimmt in Kauf, dass sich die Verkehrsprobleme in den Ballungsgebieten in der Folge noch einmal verschärfen. Frei nach den Beatles meine ich darum an die Adresse von Moritz Leuenberger, bfu und Astra: «Let it be!»
Und das ist kein verantwortungsloser Spruch eines Helmmuffels, sondern meine auf soliden Argumenten und empirischen Daten gestützte Meinung. Die übrigens auch die Velo-Lobbyorganisation Pro Velo mit mir teilt. Denn eine besonders nachdenklich stimmende Studie aus Grossbritannien zeigt zum Beispiel auch, dass Autofahrer den seitlichen Abstand, mit dem sie an Velofahrern vorbei zischen, davon abhängig machen, ob der einen Helm trägt oder nicht: Je Helm, desto weniger Abstand. Erschreckend? Zweifellos.