Dienstag, 9. Februar 2010

Von Helmen, Zwang und Irrwegen

Das Thema Velohelm-Pflicht wird von bfu und Bundesrat immer wieder aufgeworfen. Ich bin nach wie vor vehement dagegen – und eine neue Studie gibt mir recht.


Bisher gibts nur einige wenige Länder, in denen eine Velohelm-Pflicht herrscht. Und diese Länder zeichnen sich dadurch aus, dass das Velo ausschliesslich als Sportgerät, nicht aber als nachhaltiger Verkehrsträger betrachtet wird. Konkret geht es um Spanien und Australien. Dagegen käme es in Ländern, wo das Velo eine starke Stellung im Verkehr hat, niemandem in den Sinn, sich mit der Forderung nach einer Velohelm-Pflicht lächerlich zu machen. Eigentliche Paradebeispiele sind Dänemark und die Niederlande: Wer schon einmal in Amsterdam oder Kopenhagen als Velometropolen der Welt unterwegs war, dürfte wenig Velohelme, aber Massen von Velofahrern gesehen haben.

Velo-Alltag in Amsterdam: Vater und Kind, per Velo unterwegs. Kein Helm, dafür eine warme Jacke - wenn das Velo im Verkehr gleichberechtigt und nicht Freiwild ist, geht das.

Die Gleichung ist schliesslich ganz einfach und konnte soeben wieder durch eine Studie zweier US-Wissenschaftler belegt werden: Mehr Zwang in Sachen Velohelm führt zu einer Abnahme der Nutzung des Velos als Verkehrsmittel. Was wiederum weder aus der Sicht der Volksgesundheit noch aus klimapolitischen Gründen wünschenswert ist. Um eines klar zu stellen: Wenn ich mit sportlichem Anspruch aufs Velo steige, dann immer mit Helm – egal ob aufm Rennvelo, dem Touren-Bike oder dem groben Freerider (für jeden Zweck liegt der passende Helm bereit). Und ich schrecke auch nicht davor zurück, andere Radsportler auf ihr Nichttragen eines Helmes anzusprechen.

Eine Schale für jeden Einsatzzweck: Fünf meiner sechs Velohelme, adrett aufgereiht.

Aber zum Einkaufen, aufm Weg in die Stammkneipe oder zum Bahnhof käme es mir schlicht nicht in den Sinn, konsequent eine Schale aufzusetzen. Der Grund dafür ist sehr einfach: Ich habe keinen Bock, den Helm danach am Rucksack befestigt mit mir rumzutragen (und ihn dabei unweigerlich zu beschädigen) oder ihn am Lenker des Alltagsvelos zurück zu lassen, allfälligen Vandalen und dem Wetter schutzlos ausgesetzt. So lange man den Helm nicht unentgeltlich und sicher vor Wetter und Vandalen am Abstellplatz des Velos los werden kann, kommt eine Helmpflicht für mich daher nicht in Frage.

Vollkasko-Lösung à la Moritz: So sähe wohl ein verantwortunsvoller Velopendler in den Augen des ASTRA aus - noch ohne reflektierendes Ganzkörper-Kondom, versteht sich.

Dennoch will der Bundesrat die Helmpflicht zumindest mal für Kinder bis 14 Jahre einführen. Im Namen einer nie zu erreichenden, absoluten Sicherheit werden einige höchst unerwünschte Nebeneffekte in Kauf genommen: Weniger Kinder werden nach der Einführung einer solchen Helmpflicht mit dem Velo zur Schule fahren. Also müssen noch mehr Mamis als jetzt schon ihre wegen Bewegungsmangels noch rapider verfettenden Blagen mit überdimensionierten SUVs zur Schule fahren und dort nach Ende des Unterrichts wieder abholen. Was zu einer Häufung gefährlicher Momente vor den Schulen selbst führt – und zu mehr Staus und vermehrtem Schadstoff-Ausstoss, möchte man anfügen.

Marketing by fear: So sorgen bfu und SUVA dafür, dass Velofahren mit Horror assoziiert wird. Bravo!

Ganz abgesehen davon, dass den Kindern auf diesem Weg von Anfang an vermittelt wird: Velofahren ist etwas schrecklich Gefährliches! In diese Richtung zielt ja leider auch seit Jahren die unsägliche bfu-Velohelmkampagne, bei der ein Velohelm wie die Maske aus den Horrorfilmen «Scream» daher kommt. Ja was nun, ist Velofahren ein «Horror», vor dem man die Menschen mit Hilfe grossformatiger Plakate warnen muss? Oder wäre es nicht vielmehr Aufgabe einer Beratungsstelle für Unfallverhütung, den motorisierten Verkehr zu mehr Vor- und Rücksicht aufzurufen? Und ist sich passiv von A nach B chauffrieren zu lassen viel sicherer? Dass diese Kinder dann nicht nach dem 14. Geburtstag zu Velofahrern werden, dürfte einleuchten.

So ginge es auch: Helmstudie des Berliner Design-Duos «Die Formatoren»für Abus.
Zivile Optik (auch wenn ich mir Assoziationen in Richtung S&M nicht verkneifen kann und den pinken Beissball vermisse) und robuste Bauart, um Berührungsängste abzubauen.

Mein Fazit zur ganzen Helmpflicht-Debatte ist darum: Wer den Helm zur Pflicht macht, trägt aktiv zur Verminderung der Nutzung des nachhaltigsten Verkehrsmittels bei – eben des Velos. Und nimmt in Kauf, dass sich die Verkehrsprobleme in den Ballungsgebieten in der Folge noch einmal verschärfen. Frei nach den Beatles meine ich darum an die Adresse von Moritz Leuenberger, bfu und Astra: «Let it be!»

Und das ist kein verantwortungsloser Spruch eines Helmmuffels, sondern meine auf soliden Argumenten und empirischen Daten gestützte Meinung. Die übrigens auch die Velo-Lobbyorganisation Pro Velo mit mir teilt. Denn eine besonders nachdenklich stimmende Studie aus Grossbritannien zeigt zum Beispiel auch, dass Autofahrer den seitlichen Abstand, mit dem sie an Velofahrern vorbei zischen, davon abhängig machen, ob der einen Helm trägt oder nicht: Je Helm, desto weniger Abstand. Erschreckend? Zweifellos.

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