Zu Beginn der 90er-Jahre sorgte das niederländische Team PDM für Aufregung an der Tour: Von einem Tag auf den anderen gab die gesamte Equipe das Rennen auf, was offiziell mit einem fiebrigen Infekt begründet wurde. Erst später wurde bekannt, dass die Teamärzte den Fahrern unsachgemäss gelagerte Dopingsubstanzen verabreicht hatten – mit nicht eben leistungsfördernden Folgen. Auf jeden Fall galt PDM seither als Abkürzung für «Plein de Manipulation». Alle Details zur PDM-Affäre gibts hier nachzulesen.
Es folgte die Zeit, die unter Insidern als EPOche bezeichnet wird – und in der neben Miguel Indurain, Bjarne Riis und Jan Ullrich auch Fahrer wie Toni «ich wurde nie positiv getestet» Rominger oder Alex Zülle grosse Erfolge feierten. Rico Czerwinsky hat diese Phase in einem Artikel für «Das Magazin» überaus treffend beschrieben – als ein Phase, als nicht Talent oder Teamtaktik, sondern der richtige Arzt rennentscheidend waren, allen voran Michele Ferrari.
Zwar flogen in dieser Zeit neben dem Team Festina diverse weitere Doper auf, aber die Party ging munter weiter, nun mit Leuten wie Pantani und Lance Armstrong als Gallionsfiguren.
Die einen Doper gehen, die anderen kommen zurück
Pantani beföderte sich nach dem erzwungenen Rücktritt mit einer deftigen Linie in die ewigen Jagdgründe, aber andere dubiose Gestalten aus dieser Ära scheinen noch sehr lebendig. Und drängen auf die kommende Saison 2009 hin wieder mit Macht zurück in den Sport. So wurde die Rückkehr von Lance Armstrong zu einem der meist diskutierten Themen im Radsport-Herbst dieses Jahres – natürlich neben den Dopingfällen Schumacher, Kohl, Ricco, Piepoli, Sella und wie die erwischten Knilche noch alle heissen.
Weil sich sogar bis zum Planeten Lance rumgesprochen hat, dass sein Image nicht frei von Flecken und Fragezeichen ist, ging der siebenmalige Toursieger in die PR-Offensive. Zusätzlich zum internen Kontrollsystem vom Rasmus Damsgaard, dem alle Astana-Fahrer ohnehin unterstehen, wollte sich LA auch noch vom renommierten US-Dopingexperten Don Catlin testen lassen. Die dabei gemessenen Werte sollten ins Web gestellt werden – womit Armstrong deutlich zeigen wollte, dass er nichts zu verbergen habe.
Reden lieber übereinander als miteinander: Die beiden US-Radsport-Ikonen
Greg LeMond (li.) und Lance Armstrong (re.).
Greg LeMond (li.) und Lance Armstrong (re.).
LeMond roch den Braten als Erster
Dass ausgerechnet Greg LeMond den Nerv hatte, Armstrong an einer Pressekonferenz am Rande der Interbike-Show in Las Vegas im Oktober 2008 einige sehr kritische Fragen zu seiner Rückkehr und dem System der doppelten Selbstkontrolle zu stellen, ist schon bezeichnend genug. Wie auch Armstrongs Reaktion darauf: Er überging LeMonds Fragen schlicht - ein Akt atemberaubender Arroganz von Seiten Lance Armstrongs.
Der Weltradsport-Verband UCI sah weit weniger Grund für Skepsis – und war sich auch nicht zu schade, um für Herrn Armstrong das Reglement aufzuweichen. So wurde die Frist von sechs Monaten, während der ein Fahrer vor dem Comeback dem Doping-Testpool seines Verbandes unterstehen und sich für Trainingskontrollen bereit halten muss, für den Texaner auf Mass verkürzt, damit er Ende Januar an der «Tour Down Under» starten kann.
Das wär ja alles kein Problem, wenn Armstrong’s Blutwerte von Don Catlin ins Netz gestellt würden, wie dies lauthals angekündigt wurde – und was tecchnisch kein Problem sein dürfte, denn Christoph Sauser hat dies bereits im Zuge der Saison 2004 so gehandhabt . Eine gründliche Google-Suche ergibt aber gar nichts – nada, niente, rien. Zwar kann man via Twitter Herrn Armstrong auf Schritt und Tritt folgen, wobei er selbst bestimmt, was da gezwitschert wird – und nein, Blutwerte gehören nicht dazu. Aber als Beitrag zur Transparenz kann dies nicht ernsthaft gelten – eher als Teil eines fragwürdigen Personenkults.
Von Zeitmangel und billigen Ausreden
Drei Wochen vor seiner Rückkehr in den Profisport bleibt Lance Armstrong seine Blutwerte weiterhin schuldig. Noch vor Monatsfrist, also anfangs Dezember, musste Don Catlin auf Nachfrage eingestehen, dass er bisher noch keinerlei Proben bei Armstrong entnommen habe. Es sei ihm bisher schlicht nicht gelungen, mit dem vielbeschäftigten Armstrong einen Termin für eine erste Reihe von Tests zu fixieren. Was mich an ein geflügeltes Wort erinnert: Zeit hat man nicht, Zeit muss man sich nehmen - so fern man etwas als wichtig genug erachtet.
Somit ist für mich klar, dass meine Skepsis von Beginn weg berechtigt war: Der Texaner will auch 2009 als radelnde Apotheke den anderen davon fahren, und das noch mit dem Anspruch, etwas für einen guten Zweck zu tun – Armstrong’s «Livestrong»-Stiftung lässt grüssen. Dabei umgibt sich Armstrong wieder mit all seinen Helfern aus den grossen Tagen der Tour-Triumphe, oder zumindest mit denen, die noch nicht gesperrt sind. Denn mit Beltran, Heras, Bileka, Hamilton und Landis sind bekanntlich inzwischen einige Helfer aus USP/DSC-Zeiten erwischt worden – man könnte salopp sagen, dass das halbe Team inzwischen ausm Verkehr gezogen worden ist.
Armstrong als wahrer Test für das Kontrollsystem
Möge Armstrongs Lebenslüge aufgedeckt werden – ob mittels eines positiven Tests oder ausbleibender Resultate, ist mir herzlich egal. Wohlgemerkt: Der Kampf gegen Krebs ist ein wichtiges und ehrenvolles Anliegen. Auch ich kenne eine Reihe von Menschen, die an Krebs gestorben sind oder mit dieser heimtückischen Krankheit ringen. Umso mehr stört es mich, wenn sich Leute zu Bannerträgern machen, die in meinen Augen keinerlei Glaubwürdigkeit (mehr) haben. Und da gehört Lance Armstrong leider dazu.
Wenn eine vermeintliche Ikone wie Armstrong im Kontrollystem hängen bleiben und in der Folge aussortiert werden sollte, dann hat der Radsport einen Teil vom Imageschaden wieder gut gemacht, den die Rückkehr dieses Fahrers verursacht hat. Hoffen ist erlaubt. Dass es so weit kommen wird, erscheint mir allerdings zweifelhalft.
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