Dienstag, 15. September 2009

Fixie und Poli

Als Kinder spielten wir oft «Räuber und Poli» - in Basel und Zürich läuft zur Zeit die Variante für Erwachsene, Fixie und Poli genannt.

Ein Gang, kein Freilauf und keine Bremsen: Fixies leben von der Reduktion.

Auslöser des neusten Aktivismus seitens der Polizei ist ein urbaner Velotrend, bei dem weniger mehr ist. Es geht um puristische Räder mit Starrlauf, im Szene-Jargon auch «Fixie» genannt. Diese stammen ursprünglich aus dem Bahn-Radsport – und weisen darum keine Bremsen auf. Um das Tempo zu reduzieren, muss man vielmehr das Hinterrad entlasten und mit schierer Muskelkraft «gegenhalten».

In Asien erfasst die Reduktion auch den Raddurchmesser, wie bei diesem
Fixie von Kenstone mit 20-Zoll-Laufrädern wie am BMX.

Als die ersten Kuriere in Zürich mit Fixies unterwegs waren, verzichteten sie noch ganz auf Bremsen – wurden dann aber von der Polizei gezwungen, zumindest vorne eine Bremse zu montieren. Nun ist laut dem Tages-Anzeiger (Link zum Artikel) die Polizei in Zürich wie in Basel dazu übergegangen, auch Fahrer von Fixies mit nachgerüsteter Bremse am Vorderrad zu verzeigen. Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um Ordnungsbussen in der Höhe von 40 Franken, es geht um eine Verzeigung an ein Stadt- oder Polizeirichteramt. Das zieht Kosten in der Höhe von 280 Franken bei Ersttätern nach sich. Im Wiederholungsfall wird’s auch mehr, zuzüglich Schreib- und Zustellungsgebühren.


Und noch ein Fixie: Mit Titanrahmen und carbonverstärktem Zahnriemen.

In Basel sind auch schon Fixies von der Polizei eingezogen worden, um wiederholtes Delinquieren zu verhindern. Selbst würde ich mich nie auf ein Fixie setzen: Mir sind alle Vehikel mit Rädern suspekt, die keine vertrauenswürdige Bremsanlage aufweisen – ob Skateboard oder Fixie, ist mir dabei egal. Aber mit der Verzeigungs-Praxis begeben sich die Polizeikorps von Basel und Zürich auf dünnes Eis. Denn im grossen Nachbarkanton im Norden hat das Bonner Amtsgericht einen Fixie-Fahrer vom Vorwurf freigesprochen, ein nicht betriebssicheres Gefährt im Verkehr bewegt zu haben. Und damit den Starrlauf als aufs Hinterrad wirkendes Bremssystem faktisch legalisiert (Link zum detaillierten Sachverhalt).

Mit dem Kompromiss, nur vorne eine Bremse zu verbauen, konnten Fixie-Fahrer wie Polizei eine Weile leben - nun anscheinend nicht mehr...

Die Formulierung in der «Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge» (VTS) ist auch in der Schweiz schwammig. Demnach müssen Fahrräder «mit zwei kräftigen Bremsen versehen sein, von denen eine auf das Vorder- und die andere auf das Hinterrad wirkt». Hier beginnt das Problem: Das Adjektiv «kräftig» spricht nicht für sich, sondern bedarf der Konkretisierung. Geübte Fixiefahrer halten per Stempelbremsung auf einer kürzeren Strecke an als Fahrer von Bahnhofsschwarten mit veralteten Felgenbremsen, schlecht gewarteten Bremszügen und spröde gewordenen Bremsklötzen.

So gefällts auch dem Freund und Helfer: Eingang-Renner mit Bremsen an beiden Rädern.

Ganz zu schweigen vom Schweizer Ordonnanzrad, das auch mit einer sehr rudimentären Bremsanlage ausgestattet ist: Hinten eine Rücktrittbremse, vorne gar nur eine Löffelbremse, bei der ein gummiertes Füsschen direkt von oben auf den Reifen gedrückt wird. Das finde ich richtig leichtsinnig. Aber anders als die von Velokurieren aus den USA importierten Fixies ist das Ordonnanzrad ein Stück Landes- und Armeegeschichte, quasi der velogewordene Landigeist. Und darum werden Fahrer von Ordonnanzrädern auch nicht verzeigt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen