Es ist mal wieder an der Zeit für eine kleine Medienschelte: Anlass ist der Artikel «Im Geierland» von Mathias Plüss im Tages-Anzeiger Magazin vom 22. August 2009.
In besagtem Artikel (LINK) besucht der Journalist Mathias Plüss in Begleitung von
David Jenny, Biololgie-Lehrer am Lyceum Alpinum, Vogelwarte-Mitarbeiter und Beauftragter fürs Monitoring des Wiederansiedlungsprojekts für Bartgeier, das Unterengadin. Genauer: Er besucht das Brutgebiet des Engadiner Bartgeier-Paares Livigno und Raetia.
Was wie ein interessanter Artikel klingt (und beginnt), wird bald zum Ärgernis – weil David Jenny die grösste Bedrohung seiner Bartgeiers offensichtlich in Mountain Bikern sieht, die sich seines Erachtens im Biosphären-Reservat breit machen. Folgerichtig verlangt Herr Jenny ein Bikeverbot in Biosphären-Reservaten – unwidersprochen, versteht sich.
So weit, so ärgerlich, aber es kommt noch übler: Der Herr Jenny hat den Journalisten so weit es irgendwie ging den Berg hochgekarrt. Zitat aus dem Artikel: «Deshalb hat mich Jenny ... in abenteuerlicher Fahrt über einen Wanderweg hierher gebracht.» Wie bitte? Mit dem Auto (ich nehm nicht an, dass ökologisch korrekt auf eine Muli-Kutsche zurück gegriffen wurde und würde von Herrn Jenny nur zu gerne erfahren, wie viel Kohlendioxid sein Offroader so rausbläst, wenns in tiefem Gang und mit hohen Tourenzahlen abenteuerlich bergan geht) einen Journalisten in ein Biosphären-Reservat karren und zugleich ein Fahrverbot für Biker in genau diesen Gebieten verlangen? Ein treffendes Beispiel für Doppelmoral.
Im weiteren Verlauf des Artikels wird klar, dass sich die sensiblen Brutgebiete der Bartgeier vornehmlich in Gebieten befinden, wo es keinen Weg und keinen Pfad mehr gibt. Mir sind keine Biker bekannt, die im Hochgebirge freiwillig die bestehenden Wege verlassen. Ganz abgesehen davon, dass ein solches Verhalten gegen die Trail Rules verstossen würde, welche sich verantwortungsvolle Mountain Biker selbst auferlegt haben. Zudem haben die Geier drei Jahre lang direkt an einem laut Jenny von Bikern rege frequentierten Weg gebrütet. Entweder die Viecher sind schwer für Begriff, oder sie stören sich weit weniger an den Bikern als der Jenny selber.
Herrn Jenny empfehle ich, sich wieder mehr mit Geiern zu beschäftigen – und in einer freien Minute mal darüber nachzudenken, wieso Biker für Bartgeier störender sein sollen als Wanderer, Alpinisten oder Vogelschützer im Geländewagen, auf abenteuerlicher Fahrt auf Wanderwegen unterwegs tief hinein ins Biosphären-Reservat. Denn Jenny’s Forderung, die Benutzung des Mountain Bikes in Biosphären-Reservaten zu verbieten, wird den Widerstand gegen selbige verstärken. Wir reden hier schliesslich nicht nur von einem Wirtschaftsfaktor namens Tourismus, sondern auch von einer der beliebtesten Sportarten von Herr und Frau Schweizer. Zudem würde Jenny’s Forderung den Unterschied zwischen Nationalpark und Biosphären-Reservat verwischen.
Meines Erachtens ist der Natur eher geholfen, wenn die Menschen durch Kontakt mit ihr sensibilisiert werden. Und nicht ausgesperrt, wie es Jenny vorschwebt. In diesem Sinne sage ich: Hol’s der Geier, im Land der Geier. Und ja, ich werd auch weiter mit dem Bike Biosphären-Reservate durchqueren - auf den Wegen und mit gebührendem Respekt zu Fauna und Flora. Wie es sich gehört, auch wenn Herr Jenny sich das nicht vorstellen kann.
Winter Mood
vor 6 Tagen
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