Dienstag, 13. Oktober 2009

Nachruf: Au revoir, enfant terrible

Nun ist er doch noch zur Ruhe gekommen. Für immer: Gestern wurde der belgische Ex- und immer mal wieder Radprofi Frank Vandenbroucke tot in einem Hotelzimmer im Senegal aufgefunden. Ein jähes Ende einer unsteten Karriere.

Es gab Zeiten, da galt VdB, wie sie ihn in Belgien nannten, als grosse Hoffnung, als Talent mit grosser Zukunft – und es gab Zeiten, da galt er als hoffnungsloser Fall, oder als Notfall für die Klappsmühle. Der Aufstieg begann mit einer Bronzemedaille an der Strassen-WM der Junioren, setzte sich mit dem Sieg beim Halbklassiker Paris-Brüssel im erst zweiten Profijahr sowie Siegen bei Gent-Wevelgem und Paris-Nizza fort. Und fand schliesslich in der Saison 1999 die Krönung: Mit seinem Sieg bei der Doyenne macht er sich als Wallone unsterblich, und im Herbst liess er zwei Etappensiege bei der Vuelta in Spanien folgen.


Im selben Jahr, in dem VdB seine grössten Triumphe feierte, begann aber auch schon sein pharmazeutisch befeuerter Abstieg: In Frankreich wurden gegen VdB Untersuchungen wegen dessen Kontakten zu einem übel beleumundeten Arzt (Bernard «Dr. Mabuse» Sainz) eingeleitet, worauf ihn sein damaliges Team Cofidis beurlaubte. Was folgte, war ein unaufhaltsamer Abstieg, beschleunigt von depressiven Schüben. Zuerst zankte sich VdB lange mit Cofidis um eine weitere Anstellung, dann wurde er zum Vagabunden unter den Radsportlern, der von Team zu Team zog, die Erwartungen nie erfüllte und in der Folge Stufe um Stufe hinunter gereicht wurde.

Vom nächsten Eddie Merckx, als der er in jungen Jahren hochgejubelt worden war, zu einem der vielen unterbezahlten Mitfahrer im Feld: Dieser Abstieg hinterliess bei VdB Spuren. Er zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, konsumierte Psychopharmaka, dazu wohl auch Amphetamine und Kokain, fiel durch Blaufahrten mit dem Auto auf und wurde zunehmend zu einer Belastung für sein engstes Umfeld. Ja zur Gefahr, als er seine Frau Sarah Pinacchi zuerst verprügelte und ihr dann eine Waffe an den Kopf hielt.

Die herbeigerufene Polizei nahm VdB in Gewahrsam. Bei anderer Gelegenheit stellte sie ein veritables Arsenal an Doping-Präparaten im Hause Vandenbroucke’s sicher. Die seien alle für seinen Hund bestimmt gewesen, liess VdB verlauten – worauf Spekulationen ins Kraut schossen, was das wohl für eine krasse Kampftöle sein müsse.

Für eine witzige Episode sorgte VdB im Sommer 2006, nachdem ihn sein damaliger Rennstall unibet.com entlassen hatte: Unter dem Namen Francesco del Ponte und mit einer gefälschten Rennlizenz – inklusive Bild des amtierenden Strassenweltmeisters Tom Boonen – trat er bei Amateurrennen in Norditalien an. VdB fuhr die Konkurrenz mehrmals in Grund und Boden und über hundert Kilometer vor dem Feld her, um kurz vor dem Ziel ausm Rennen zu steigen: Er habe nur im Rennrhythmus bleiben und den Ausgang des Rennens nicht verfälschen wollen, begründete VdB sein Verhalten.

Ein Jahr darauf hatte VdB ein erstes Rendez-Vous mit dem Sensenmann: Nachdem seine Frau angekündigt hatte, sich von ihm scheiden zu lassen, schmiss VdB im Juni 2007 in seiner Wohnung in Norditalien eine Überdosis Schlaftabletten ein. Weil ihn ein Teamkollege fand und die Rettungsdienste alarmierte, überlebte VdB.

Und schwor, noch einmal in den Profiradsport zurück zu kehren – was er dann auch im Verlauf der vergangenen beiden Saisons tat, wenn auch eher in der dritten als in der zweiten Liga. Bei seinem letzten Team blieben die Lohnzahlungen aus, weshalb er nur noch gegen Startgagen bei Kriterien antrat. Für 2010 wollte VdB nochmals in den Profi-Radsport zurück kehren. Bereits begonnen hatte er mit einer Zusammenarbeit mit dem Chef des Mapei Cycling Centre’s, Aldo Sassi. Seine Pläne wurden vom einzigen Gegner durchkreuzt, den VdB Zeit seines Lebens nie in den Griff bekam: Von ihm selbst. Möge er im Jenseits die Ruhe finden, die ihm im auf Erden nie vergönnt war.

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